Der Südwesten wird als Reiseziel immer beliebter: Vergangenes Jahr kamen fast fünf Prozent mehr Gäste als im Vorjahr – insgesamt verbrachten 19,5 Millionen Menschen ihren Urlaub zwischen Odenwald und Bodensee. Baden-Württemberg liegt damit hinter Bayern bundesweit auf Platz zwei.

Stuttgart - Die Tourismusbranche in Baden-Württemberg eilt von Rekord zu Rekord: Zum vierten Mal in Folge kann sie einen neuen Spitzenwert bei den Übernachtungen vermelden – 49 Millionen waren es 2014 und damit eine Million mehr als noch ein Jahr zuvor. Zu diesem Ergebnis habe vor allem die weiter steigende Zahl von Gästen aus dem Ausland beigetragen, sagte Minister Alexander Bonde (Grüne) am Mittwoch bei der Vorstellung der Tourismusbilanz.

Der Anteil der ausländischen Urlauber hat sich seit Beginn des Jahrtausends fast verdoppelt. Waren es 2001 rund 5,5 Millionen, kamen im vergangenen Jahr mit 10,3 Millionen erstmals mehr als zehn Millionen Gäste mit ausländischem Wohnsitz in den Südwesten – sie buchen mittlerweile 21 Prozent aller Übernachtungen in den Hotels, Ferienwohnungen und auf Campingplätzen im Land. Auch bei den Übernachtungen von Gästen aus Deutschland, die gegenüber 2013 um 2,5 Prozent oder 933 000 zulegten, wurde mit 38,8 Millionen ein neuer Rekordwert erzielt.

Minister Bonde betonte die Bedeutung des Tourismusgewerbes als Wirtschaftsfaktor. „Der Tourismus sichert mehr als 280 000 Vollzeitarbeitsplätze im Land und ist damit gerade auch für ländliche Räume von großer arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischer Bedeutung.“

Chinesen kommen

Besonders beliebt ist Baden-Württemberg unverändert bei Urlaubern aus der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und den USA. Die größten Zuwächse gab es bei den Touristen aus China und den arabischen Golfstaaten. So machten im vergangenen Jahr 134 383 Reisende aus China Station im Südwesten – 19,1 Prozent mehr als 2013 – und blieben im Durchschnitt 2,1 Tage. Damit hat sich die Volksrepublik auf Platz neun der wichtigsten Auslandsmärkte katapultiert, noch vor Spanien, Polen und Japan. Im Schnitt verweilen die ausländischen Touristen 2,3 Tage in Baden-Württemberg. Deutlich länger bleiben Inder (6,4 Tage), Israelis (3,8) und Besucher aus den arabischen Golfstaaten (3,4). Die indischen Gäste sind vor allem Geschäftsreisende, die etwa beim Walldorfer Softwarekonzern SAP oder beim Stuttgarter Autobauer Daimler Station machen. Arabische Gäste schätzen die gute medizinische Versorgung im Land: Während sich ein Familienmitglied im Krankenhaus behandeln lässt, mieten sich die anderen im Hotel ein, vergnügen sich beim Einkaufen.

Beliebter Bodensee

Lieblingsziel im Land ist wie eh und je der Schwarzwald mit weit über 20 Millionen Übernachtungen im Jahr, gefolgt von der Bodenseeregion mit 4,6 Millionen Übernachtungen und der Schwäbischen Alb mit gut vier Millionen. Kein Wunder: Zwei von drei Touristen geben an, wegen der Natur in den Südwesten zu kommen, berichtet Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH (TMBW). Der Bodensee konnte mit einem Plus von sechs Prozent ebenso überproportional zulegen wie der Hegau (plus 6,7 Prozent) und die Region Stuttgart (plus 6,9). Leichte Einbußen gegenüber dem Vorjahr mussten der südliche Schwarzwald (minus 0,3 Prozent) und die Region Württembergisches Allgäu–Oberschwaben (minus 0,2) hinnehmen.

Starker Städtetourismus

„Der Trend zum Städtetourismus hält an“, bilanzierte die Präsidentin des Statistischen Landesamts, Carmina Brenner, bei der Vorstellung der Zahlen. So konnten die fünf Großstädte Stuttgart, Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe jeweils mehr als eine Million Übernachtungen verbuchen. Den stärksten Zuwachs verbuchte Ulm mit einem Plus von 10,2 Prozent auf knapp 569 000 Übernachtungen. Traditionelle Tourismusorte wie Baiersbronn, Bad Mergentheim, Bad Dürrheim, Bad Krozingen oder Badenweiler hingegen stagnieren. Zu einer eigenen Tourismusregion hat sich längst das badische Rust mit dem Europapark entwickelt: Die 3900-Einwohner-Gemeinde in der Rheinebene zählte im vergangenen Jahr 921 000 Übernachtungen. Das sind 270 000 mehr als noch vor sechs Jahren.

Bettensteuer bremst

Freiburg ist die einzige größere Stadt im Land, die bei den Übernachtungszahlen gegen den Trend Einbußen (minus 2,1) hinnehmen musste. Den Grund sieht TMBW-Chef Braun in der umstrittenen Bettensteuer, die Freiburg seit Anfang 2014 als einzige Stadt erhebt. „Das hat sich zweifelsohne ausgewirkt.“ Zahlen muss die Steuer jeder Privatreisende, der in Freiburg übernachtet. Die Stadt hatte im ersten Halbjahr 2014 rund 815 000 Euro eingenommen – mehr als erwartet. Bei Hoteliers und Gastronomen stößt die Abgabe auf Widerstand.

Mehr Marketing

Um künftig noch mehr Touristen nach Baden-Württemberg zu locken, stockt die grün-rote Landesregierung die Mittel für die Auslandswerbung in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils 300 000 Euro auf, damit stehen künftig 4,3 Millionen Euro zur Verfügung. „Der Tourismusmarkt ist weltweit ein Wachstumsmarkt, und das globale Ringen darum nimmt zu“, begründete Bonde die Erhöhung. Mit den zusätzlichen Mitteln will die TMBW vor allem in den USA, Großbritannien und China werben und dort mit „Tradition und Brauchtum“ punkten – Klischees wie „Bier, Bollenhut und Kuckucksuhr“ spielten dabei eine große Rolle, so Braun.