Ulrich Kallfass (Mitte) wurde von Bundespräsident Joachim Gauck und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt im Schloss Bellevue empfangen. Foto: Bundesregierung / Michael Gottschalk Foto: Schwarzwälder-Bote

Empfang: Ulrich Kallfass erhält für seine Verdienste um den Mittelstand eine ganz besondere Einladung

Sein ehrenamtliches Engagement für den Mittelstand hat Ulrich Kallfass schon oft nach Berlin geführt. Er traf dort mit Kanzlern und Ministern zusammen. Sein jüngster Besuch in der Bundeshauptstadt toppt indes alles – er führte direkt ins Schloss Bellevue zu Bundespräsident Joachim Gauck.

Nagold/Berlin. Es war einer der letzten großen Auftritte des bald aus dem Amt scheidenden Staatsoberhauptes: der traditionelle Neujahrsempfang in dem klassizistischen Schloss am Rande des Tiergartens. Nicht nur das komplette Bundeskabinett mit Kanzlerin Angela Merkel machte Joachim Gauck und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt vorgestern seine Aufwartung, sondern auch 71 Bürger aus der ganzen Republik, darunter fünf aus Baden-Württemberg. Einer von ihnen: der Nagolder Ulrich Kallfass, Steuerberater von Beruf und Kommunalpolitiker – er sitzt für die CDU seit 22 Jahren im Gemeinderat und seit zwölf Jahren im Kreistag – aus Leidenschaft.

Drei Stunden dauerte das Defilee, minutiös vorbereitet und getaktet bis auf die Minute. Schon tags zuvor waren die Gäste in Gaucks Amtssitz geladen worden, wo die Standarte des Staatsoberhauptes im kühlen Südwind flatterte. Eingeholt wird sie übrigens nur, wenn sich der Bundespräsident an seinem Bonner Amtssitz, der Villa Hammerschmidt, in einem Gästehaus in den Bundesländern oder auf einem Besuch im Ausland aufhält.

Den stets freundlich und zuvorkommenden Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes ging es bei diesem ersten Kennenlernen vor allem um eines: um die Etikette, die es wie beim Empfang von Staatsgästen einzuhalten gilt. Wie nähert man sich dem Bundespräsidenten? Wem gibt man zuerst die Hand: Gauck oder doch, wie es eigentlich bei Knigge steht, seiner Lebenspartnerin?

Während Frau Brigitte anderntags sich dem Damenprogramm mit Besuch des Bundestags widmen durfte, stand Ulrich Kallfass mit den anderen 70 geladenen Bürgern, aufgestellt in alphabetischer Reihenfolge, im Schloss Bellevue unten an der großen Treppe zum Aufgang in die oberen Säle. Auf diesen Stufen, vorbei am Reitergemälde von Friedrich Wilhelm III., reihte sich das Defilee, um vor dem Saal, in dem Gauck und seine Partnerin mit großem Presseaufgebot warteten, Halt zu machen.

"Wir sehen uns gleich beim Essen"

Dann ging wieder alles streng nach Etikette. Erst als sein Name aufgerufen wurde, durfte sich der Nagolder gemessenen Schrittes dem Staatsoberhaupt nähern, währendessen über Lautsprecher sein früheres kirchliches Wirken, vor allem aber sein Engagement als MIT-Vorsitzender, das er 17 Jahre lang ausübte, gewürdigt wurde. Ein kurzer Händedruck, die besten Neujahrswünsche und ein joviales "Wir sehen uns gleich beim Essen" von Joachim Gauck, dann wurden die strengen Benimmregeln deutlich gelockert.

Beim Glas Sekt gingen die Geehrten im großen Gedränge auf Tuchfühlung mit der hohen Politik. Kallfass schüttelte Kanzlerin Merkel genauso die Hand wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Kanzleramtsminister Peter Altmaier begrüßte Kallfass lächelnd mit: "Heut’ müssen Sie nicht über Skype was sagen", in Anlehnung an dessen Auftritt bei der Nagolder Weinrede. Danach, beim feinen Dinner – kredenzt wurden Kraftbrühe in Teigtasche, Bürgermeisterstück im Schmorsud und Buttermilch mit eingekochten Beeren – lernte der Nagolder den Bundespräsidenten von der anderen, bürgernahen Seite kennen. Gauck betonte in seiner Ansprache nochmals die Wichtigkeit ehrenamtlichen Wirkens für ein funktionierendes Gemeinwesen, sagte indes auch, wie sehr er sich im Kreise von "normalen" Bürgern wohlfühle. Kallfass spürte: "Der Abschied aus dem Amt ist für ihn nicht einfach."

Als der Protokollchef nach anderthalbstündigem Mittagessen auf die Uhr tippt, geht für den Nagolder ein "unvergessliches Erlebnis" zu Ende. Auch für jemand wie Ulrich Kallfass, der auch sonst keine großen Berührungsängste beim Zusammentreffen mit Größen aus Politik und Gesellschaft hat, war diese viereinhalbstündige Stippvisite im Bellevue "etwas ganz Besonderes".

Erst um Mitternacht landet seine Maschine, verspätet wie so oft, auf dem Stuttgarter Flughafen. Für Ulrich Kallfass, der auch mit 71 Jahren von Ruhestand noch nichts wissen will, geht der Alltag nach einem solchen gesellschaftlichen Höhepunkt weiter. Am Morgen sitzt er kurz vor sechs – so wie häufig – schon wieder an seinem Schreibtisch.