Die Initiative "Totholz lebt" will abgestorbene Obstbäume retten. Foto: Fritsch

Absterbende Streuobstbäume sollen vor der Motorsäge bewahrt werden. Bietet Schutz für Tiere.

Nagold - Auslichten, formatieren, beschneiden – gutes Obst kommt von einem gesunden Baum. Bei Totholz also Kahlschlag? Die Initiative "Totholz lebt" setzt sich dafür ein, die abgestorbenen Bäume stehen zu lassen, denn sie bilden den Lebensraum für so manche Tiere.

Sie gelten allgemein als Objekt des Versagens bei der Obstbaumpflege: Alte Streuobstbäume mit rissiger Rinde und knorrigen Ästen. Früchte tragen sie schon lange nicht mehr, dennoch prägen ihre ausladenden Baumkronen und dicken Stämme die Landschaft. So mancher kommt dann auf die Idee, die Bäume zu fällen.

Seit dem vergangenen Jahr setzen sich Klaus Kälber und Thomas Ebinger vom BUND Nagold sowie Wolfgang Herrling vom Nabu Vollmaringen für die ausgedienten Obstträger ein. Die Idee ist den Initiatoren im Rahmen des Projektes "LIFE rund ums Heckengäu" gekommen. "Wir brechen eine Lanze für die abgestorbenen Bäume. Es ist schlimm, wenn sie abgeholzt werden, obwohl sie noch funktionsfähig sind", sagt Kälber. Schließlich biete das Totholz noch die Möglichkeit der Besiedlung.

Die Risse und Spalten der Rinde werden schnell zum Territorium für Moose und Flechten. "Mikroorganismen weichen das Holz auf bis der Baum umfällt. Dann hat er seine Pflicht getan", erzählt Kälber. Das sei dann die Eintrittspforte für andere Lebewesen wie den Grünspecht, den Wendehals oder den Steinkauz. Hier fänden sie auch nahrhafte Käfer, denen es in morschem Holz ebenso gefällt. In Astlöchern und Hohlräumen kämen auch Fledermäuse und Siebenschläfer gerne unter. Auch könne man so manche Wildbiene in alten Bäumen finden, erzählt Kälber. "Da baut man mühevoll neue Bienenhotels und haut die alten kostenlosen um", kritisiert der Naturfreund.

Totholz soll zum Schutz der Tiere stehen bleiben

Um den Tieren auch weiterhin diesen attraktiven Lebensraum bieten zu können, haben die Männer eine Initiative mit dem Namen "Totholz lebt" ins Leben gerufen. Der Kostenträger ist dabei der BUND Nagold. Bei der Gründung seien 18 Vertreter aus 13 Organisationen vertreten gewesen. Beteiligt sind neben dem BUND Nagold und dem Nabu Vollmaringen unter anderem der Nabu Mötzingen, Nabu Nagold, der Landschaftserhaltungsverband Calw, der Heimatverein Rotfelden, die Naturschutzgruppe Jettingen, die Naturfreunde Nagold und der Schwarzwaldverein Nagold.

Abgestorbene Bäume erhalten Gütesiegel

Die Gruppe ist derzeit dabei eine Art Gütesiegel zu entwerfen, um abgestorbene Bäume zu adeln. So sollen sie zu Leuchttürmen und "Botschaftern des guten Geschmacks" werden. Logo, Symbol und Leitfigur des Ganzen wird die fiktive Figur Wendelin, der Wendehals. Damit möchte die Initiative Vorbild für die anderen LEADER-Gemeinden sein.

"Wenn dann jemand einen alten Baum sieht und sich fragt, was das Siegel bedeutet und was die EU damit zu tun hat, dann kann er einfach den QR-Code des Siegels einscannen und weiß Bescheid", erklärt Herrling das Konzept. So bringe man die Leute vielleicht eher dazu, alte Bäume stehen zu lassen. "›Der Baum ist im Weg‹ heißt es sonst immer", weiß Herrling. "Da müssen wir einfach die schwäbische Aufräummentalität durchbrechen", scherzt Kälber. Man hoffe, dass nach zehn Jahren Förderung wieder Vögel wie der Wendehals heimisch würden.

Bis zum August dieses Jahres soll das Projekt zum Schutz der Streuobstwiesen in den Landkreisen Böblingen, Enzkreis, Ludwigsburg und Calw laufen. "Wir wollen natürlich nicht nur tote Bäume, wir wollen beides", stellt Kälber klar und Ebinger ergänzt: "Oft haben Bäume, die tragen, schon ein bisschen Totholz in sich. Da sollte man dann einfach ein Stück Ast stehen lassen."

Weitere Informationen: www.life-heckengäu.de