Oberbürgermeister Jürgen Großmann (links) freute sich über die vielen anwesenden Vertreter der Nagolder Wirtschaftsbetriebe. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Gut besuchtes Wirtschaftsgespräch der Stadt im "architare" / Keine Kritik an geplanter Gewerbesteuererhöhung

Von Axel H. Kunert

Nagold. Es ist so etwas wie eine kleine Regierungserklärung, die einmal im Jahr Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann vor den Vertretern der örtlichen Unternehmer abgibt. Weit mehr als 150 Firmenchefs, Manager und Unternehmer waren für das 22. Nagolder Wirtschaftsgespräch ins "architare" gekommen.

Zu Beginn stand die faktenreiche Status-Präsentation des Rathaus-Chefs auf dem Programm. Ein unumgänglicher Pflichttermin, wie Jürgen Großmann vor Beginn der Veranstaltung erläuterte: Die Stadt Nagold ist als "mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung" nach RAL-Gütezeichen zertifiziert, kontrolliert alle zwei Jahre durch den TÜV-Nord; wurde aufgrund der besonderen Serviceangebote für Unternehmen sogar als "best-practice"-Beispiel im Bereich Wirtschaft ausgezeichnet. "Für diese Zertifizierung wurden die Nagolder Wirtschaftsgespräche seinerzeit initiiert", erläutert Großmann. Mit großem Erfolg, wie er findet: "Der Wirtschaftsstandort Nagold ist heute eine Marke, die von den Unternehmen der Stadt aktiv nach außen getragen wird". Und damit immer neue Unternehmen auf Nagold aufmerksam mache und hierher locke.

Eindrucksvoller Beleg dafür: Die aktuelle Arbeitsplatzstatistik für Nagold. Mit 10 241 Arbeitsplätzen im Stadtgebiet steht Nagold an der Spitze der Region noch vor Herrenberg (10 030) und Freudenstadt (9 936), und weit vor Horb (7 576) und Calw (8 270).

"Nagold wächst!", so Großmanns Fazit aus dieser Entwicklung. Das gelte auch – wieder – für die absolute Einwohnerzahl, die nach dem Einbruch der Zahlen mit dem "Zensus" des Statistischen Landesamtes wieder im Aufwärtstrend liege. "Zumindest im Augenblick." Auf Nachfrage bestätigt Großmann, dass hier auch die Zuweisung für Flüchtlinge nach Nagold eine gewisse Rolle spiele – da auch diese in Nagold gemeldet würden. Und zum Beispiel auch bei den Zuweisungen der Einkommenssteuer zum städtischen Haushalt berücksichtigt würden.

Weiterer Ausdruck des kontinuierlichen Wachstums in Nagold: zahlreiche Handelsansiedlungen in der Innenstadt in den vergangenen Monaten; sowie ein "Nachfrageüberhang" nach innerstädtischen Handelsflächen, der aktuell im Rathaus abgearbeitet werde und auf weitere Ansiedlungen in den nächsten Wochen und Monaten hoffen lasse. Für das "Anker-Areal" kündigte Großmann für den 12. Dezember (19 Uhr) eine weitere Bürgerversammlung an, in der alle Bürger über die aktuellen Planungen informiert werden sollen.

Positiv auch die Entwicklung im Bereich der Industriegebiete: Für den ING-Park auf dem Eisberg konnte der Oberbürgermeister für kommendes Jahr drei große Neuansiedlungen in Aussicht stellen, wobei "dickster Fisch" ein Logistikzentrum für einen großen, europäischen Transportdienstleister sein würde. Für die weitere Entwicklung des Industriegebiets Wolfsberg, das im 40. Jahr seines Bestehens an seine Kapazitätsgrenzen gekommen sei, befinde man sich in "Sondierungen" mit der angrenzenden Gemeinde Mötzingen, um die noch vorhandenen Freiflächen zwischen deren Gewerbeflächen und dem Wolfsberg möglicherweise gemeinsam zu entwickeln. Die Herausforderung, so Großmann: "Hier küssen sich zwei Regionen, die ganz unterschiedlich unterwegs sind und unterschiedliche strategische Ziele verfolgen."

Nachholbedarf sieht der OB bei der Realisierung von neuen Wohnflächen in Nagold, nachdem im laufendem Jahr die Summe der verkauften Wohnflächen auf einen Tiefstand nach 2008 gefallen sei. Dem weiteren Ausbau des Gebietes Riedbrunnen komme hier eine Bedeutung zu. Vor allem aber auf das Entwicklungskonzept des Areals "Calwer Decken / ehemalige Messe" ruhen die Hoffnungen der Stadt, wo ein komplett neues Wohnquartier mit Einfamilienhäusern, Handelsflächen und Grünzonen entstehen sollen. "Kommendes Jahr werden wir hier anfangen", verspricht Großmann.

Doch es war nicht nur alles eitler Sonnenschein, was der OB "seinen" Unternehmern mitgebracht hatte. Die Internet-Breitbandversorgung bereitet Probleme, wie zum Beispiel auch die Hausherrin im architare, Barbara Benz, in einer Nachfrage an Großmann bestätigte. Hier kündigte Landrat Helmut Riegger die Gründung eines Eigenbetriebs an, um unabhängig von den großen, bisher sehr zauderhaften Netzbetreibern den Glasfaserausbau kreisweit vorantreiben zu können – allerdings werde das mindestens noch fünf Jahre dauern.

Und dann sprach Jürgen Großmann noch die allgemeine Finanzsituation der Stadt an. Man werde das Planziel von 14,5 Millionen Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer in diesem Jahr aufgrund nicht nur der konjunkturellen Entwicklung "signifikant verfehlen". Die Stadt käme um eine Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze von derzeit 370 auf 390 Punkte nicht herum.

Wohl nicht zum Erstaunen des Schultes blieb diese Ankündigung in der Fragerunde von den anwesenden Unternehmern gänzlich unkommentiert. Wortmeldungen gab es nur zur aktuell unbefriedigenden Verkehrssituation in Richtung Haiterbach – für die es aber laut Landrat Riegger trotz "erheblicher Bemühungen" keine andere Alternative gebe. Und zur verbesserungswürdigen Anbindung von Nagold und dem gesamten Kreis Calw an Pforzheim und die dortigen Autobahn-Anschlussstellen der A8. Eine spontane Umfrage von OB Großmann bei den anwesenden Unternehmern ergab, dass für diese die Verkehrsachse nach Pforzheim nahezu genauso wichtig ist wie jene nach Stuttgart.

Hier bestätigte Landrat Rieger, dass er mit dem Regierungspräsidium in Karlsruhe über einen teilweise dreispurigen Ausbau der B463 spreche, um zumindest durch ein sicheres Überholen in bestimmten Abschnitten der Hauptverbindung zwischen Nagold und Pforzheim etwas schneller zu machen. Aber derzeit habe die Pforzheimer Westtangente höhere Priorität für die zuständigen Gremien.