Ulrich Kallfass Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Mittelstand: Rückzug von Ulrich Kallfass

Nordschwarzwald. Ulrich Kallfass (71), einer der profiliertesten Christdemokraten im Kreis Calw, amtierender Kreisrat und Nagold Stadtrat, zieht sich überraschend als Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung Calw-Freudenstadt zurück. Wir sprachen mit ihm über die Gründe.

Sie sind der klassische Homo politicus – ein Mensch, dessen Leben ohne Politik kaum vorstellbar wäre. Können Sie angesichts der Umfragewerte Ihrer Partei überhaupt noch ruhig schlafen?

Nein, ruhig schlafen kann ich nicht. Ich sehe nicht wenige negative Entwicklungen, die nach Veränderung schreien. Wenn der Bürger das Gefühl hat, dass die Politik sich vom Menschen entfernt, unberechenbar handelt und elementare Grundsätze in Frage stellt, lässt die Quittung nicht lange auf sich warten.

In der CDU rumort es, aber nur wenige trauen sich, der Kanzlerin die Stirn zu bieten. Wie lange geht das gut?

Das ist ein Grundproblem in den Parteien. Kritische Töne hört man nicht gerne, auch sachliche Kritiken werden nicht ernst genommen. Die Zeiten haben sich aber geändert, die Betroffenen reagieren. Die Reaktionen sind allerdings nicht immer die besten. Mir macht Sorge, wenn durch ein Fehlverhalten der Volksparteien sich auf der rechten Seite Entwicklungen auftun, die für unser Land gefährlich sind. Im Übrigen muss man ja sehen, dass viele, die sich von den Volksparteien entfernen, Protestwähler sind, die sich nicht mehr ernst genommen fühlen und nicht aus Überzeugung anders wählen.

Nach dem Desaster bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin hat Merkel Asche auf ihr Haupt gestreut. Reicht das?

Jeder Mensch macht Fehler, auch die Bundeskanzlerin darf Fehler machen. Fehler kann man aber auch korrigieren, das ist keine Schande. Dies hat Frau Merkel versäumt. Sie hat dadurch ohne Not Vertrauen verloren.

Ist diese Situation Ihrer Partei mit ein Grund dafür, dass sie als MIT-Kreisvorsitzender hinwerfen? Sie treten bei der Mitgliederversammlung im Oktober nicht mehr an.

Also zunächst bin ich nicht mehr der Jüngste. Trotzdem: Mittelstand ist mein Leben. Ich will etwas bewegen. Ich hatte in meinem Leben immer Ziele. Die Mittelstandsvereinigung ist eine Gliederung innerhalb der CDU, allerdings ohne direkte Mitspracherechte und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Deshalb ist die Unterstützung durch die jeweiligen Abgeordneten unumgänglich. Hier fühlten wir uns häufig im Stich gelassen. Ich habe mein Amt mit Begeisterung ausgeführt, ich habe die MIT als Bindeglied zwischen den mittelständischen Organisationen in der Politik gesehen. Ich habe aber auch erleben müssen, dass der Mittelstand die enge Nähe zur Politik scheut. Aus meiner Sicht braucht die MIT bundesweit eine strukturelle Veränderung. Die ist notwendig, um das bewegen zu können, was sie ihren Mitgliedern verspricht.

Man munkelt, der potenzielle Nachfolger kommt aus dem Kreis Freudenstadt. Dabei rekrutiert sich doch die große Mehrheit der Mitglieder - und auch der Aktiven - aus dem Kreis Calw.

Es gibt in der Tat einen Bewerber aus dem Raum Freudenstadt. Und es ist richtig, etwa zwei Drittel der MIT-Mitglieder sind aus dem Raum Calw.

Braucht der Mittelstand nicht mehr denn je eine starke Lobby? Siehe Neuregelung der Erbschaftssteuer...

Ja, davon bin ich fest überzeugt. Dabei reichen verbale Zusagen nicht. Dort, wo Handlungsbedarf vom Mittelstand gefordert wird, brauchen wir Entscheidungsträger, die entschieden dahinterstehen und ohne jegliche taktische Politik Sachziele des Mittelstandes wirksam unterstützen. In den Jubel zur Neuregelung Erbschaftsteuer kann ich nicht einstimmen. Erstens fehlen noch Details, zweitens gibt es Regelungen mit langen Überwachungsfristen und drittens befürchte ich, dass diese Hoppla-Hopp- Einigung nicht dazu geeignet, ist den erforderlichen geforderten Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen.

Aber der Kommunalpolitik bleiben Sie noch ein paar Jahre erhalten, oder?

Gemeinderat, Kreistag, aber auch Aufsichtsrat im Klinikverbund Südwest entsprechen ganz meinen Vorstellungen. Hier kann man mit dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen einer Region sich positiv entwickeln. Ein Ausstieg während der aktuellen Wahlperiode ist nicht vorgesehen.

  Die Fragen stellte Roland Buckenmaier