Auf dem Mittelalter- und Handwerkermarkt gab es für die Besucher vieles zu entdecken. Foto: Klormann

Auf Mittelalter- und Handwerkermarkt der Nagaltuna-Garbe erfahren Besucher vergangene Epochen mit allen Sinnen.

Nagold - Auf Linneas Schultern lastet eine schwere Bürde. Rund 20 Kilogramm wiegt das eiserne Kleid, das sie trägt. Es reicht ihr fast bis zu den Knöcheln. Dennoch ist die Zwölfjährige zufrieden. Denn obwohl sie schon viele Mittelalterveranstaltungen besucht hat, durfte sie noch nie ein waschechtes Kettenhemd anziehen. Auf dem Nagolder Mittelalter- und Handwerkermarkt am Wochenende nutzt sie deshalb prompt die Gelegenheit. Ein echter Höhepunkt – und doch nur eines von vielen Angeboten, die die Nagaltuna-Garbe für die Besucher rund um das Naturfreundehaus bereithalten.

Schon beim Betreten des Geländes scheinen die Gäste dort eine kleine, wenn auch zunächst dezente Zeitreise zu unternehmen. Denn zumindest der Asphalt unter den Füßen ist noch vertraut. Ganz anders dagegen die altertümlichen Marktstände, die antiquiert wirkende Waren feilbieten. Im Zelt von Gabriele Thomalla gibt es beispielsweise handgefertigte Gewänder und Hemden zu erwerben, in denen bis zu 80 Stunden Arbeit stecken.

Echtes Fell von Mardern oder Füchsen ziert edel anmutende Kopfbedeckungen. Im Unterschied zu mittelalterlichen Zeiten wurden die dazugehörigen Tiere jedoch nicht erlegt oder mit Fallen gefangen. Stattdessen handelt es sich um Opfer von Wildunfällen, die Thomalla in Abstimmung mit den Forstämtern unter anderem von diesen erhält. In Nagold verkauft sie an diesem Wochenende übrigens nicht nur fertige Waren. Wenn gerade keine Kundschaft zugegen ist, schnappt sie sich ihr Werkzeug und arbeitet weiter am nächsten Kleidungsstück, nicht zuletzt, damit die Besucher einen hautnahen Einblick in ihre Tätigkeit bekommen. "Wir leben auf diesem Markt ja auch von der Handwerkerdarstellung", meint Thomalla dazu.

Am Stand schräg gegenüber verfolgt Markus der Seiler, der aus der Gegend von Metzingen angereist ist, dasselbe Ziel. Dort dürfen die Gäste sich selbst ein Seil zusammendrehen. Dabei ist auch Muskelschmalz gefragt. Denn an der mittelalterlichen Seilbahn muss erst Mal ordentlich gekurbelt werden, bis aus einer langen Hanf-Schnur ein recht kurzes Stück Seil entsteht.

Einige Schritte weiter verrichtet ein Schmied sein Tagewerk, direkt daneben ist ein Steinmetz emsig bei der Arbeit. Bei diversen Händlern stehen Schuhe, Lederbeutel, Schmuck, Trinkhörner und sogar Metallwerkzeuge zum Verkauf. Auf einem freien Platz präsentieren Musiker und Tänzer ihr Können. Und nur ein paar Meter daneben beginnt das Mittelalter noch lebendiger zu werden – und sich mit der Epoche der Kelten zu vermischen.

Denn auf der Wiese hinter dem Naturfreundehaus haben insgesamt 13 verschiedene Gruppen ihr Lager aufgeschlagen. Neben einer Holzwerkstatt inklusive historischer Drechselbank gibt es dort auch Ring- und Speerkämpfe zwischen Germanen zu beobachten, Kettenhemden werden geknüpft, mittelalterliche Spezialitäten zubereitet. In einem Prachtzelt residiert der Ritter von Hohennagold ganz in der Nähe von Myriam Grenzendorf, bei der die Gäste einen Eindruck von keltischer Kochkunst erhalten. Der "Kelte" Joachim Fritsch übt sich unweit entfernt in einem spätmittelalterlichen Kampfstil mit dem Langschwert. Er ist somit fast so etwas wie ein Bindeglied der Epochen, die dort vertreten sind. Der Mix ist dabei übrigens durchaus gewollt. "Das zeichnet uns aus", meint Fritsch, Mitglied der Nagaltuna-Garbe, dazu.

Unter all diesen schillernden Gestalten finden sich indes auch sehr junge Teilnehmer. Peter Strauß und Maximilian Lemle aus Waldachtal sind gerade einmal 16 Jahre alt. Dennoch haben sie am Naturfreundehaus ganz allein und mit viel Geschick ein eigenes Lager errichtet. Selbst die Kleider, die sie tragen, haben sie selbst genäht. Um alles möglichst authentisch zu gestalten, war dabei nicht zuletzt auch einiges an Recherchearbeit nötig, erzählen die Jugendlichen. Das ist es ihnen aber wert. Denn neben einem großen Interesse für Geschichte bringen die beiden auch viel Begeisterung für die Atmosphäre sowie für das einfache Leben und das Handwerk vor Ort mit.

Für Linnea neigt sich der Besuch indes dem Ende zu: Es geht zurück in die Gegenwart. Mit interessanten Erfahrungen sowie einer ledernen Haarspange im Gepäck. Das Kettenhemd wird sie aber wohl im Lager zurücklassen.