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VfL bietet spezielle Kurse für Patienten mit unterschiedlichsten Krankheits-Diagnosen an / Beim Training geht es auch lustig zu

Nein, um Hochleistungssport geht es heute Morgen nicht im Gymnastikraum der Sporthalle im Bächlen. Die Teilnehmer dieser VfL-Trainingseinheit sind überwiegend 60 plus. Und manche von ihnen haben noch niemals in ihrem Leben Sport getrieben.

Nagold. Aber hierher kommen sie ja auch mit einer Verordnung des Arztes. Es ist eine der Reha-Sportgruppen des VfL-Nagold, die von Übungsleiterin Claudia Raible trainiert werden. Es ist ein Mittwochmorgen – also ist die Lungen-Sport-Gruppe an der Reihe. Und es geht lustig zu bei den diesmal 19 Aktiven insgesamt, wobei Trainerin Raible wichtig ist, dass es hier nicht etwa nur darum geht, Spa" zu haben – "das wäre zu wenig", sagt die gelernte Sonderpädagogin. "Es soll zwar schon Freude machen." Aber vor allem sollen die Teilnehmer gemäß ihren Krankengeschichten "Lebensqualität" zurückgewinnen. Beweglichkeit, Kondition für den Alltag. Oder auch nur, wie bei dieser Gruppe, "ausreichend Luft zum Atmen".

Einer der Turner heute Morgen ist Gerd (60) aus Rohrdorf. Bei ihm wurde ein Lungenemphysem diagnostiziert, was für ihn chronische Atemnot bedeute; er habe Pflegestufe 4. Er sei schon eine ganze Weile bei diesen Gymnastik-Stunden mit Frau Raible dabei. Und es bringe ihm "sehr viel – sowohl, was meine allgemeine Atemtechnik angeht, als auch meine grundsätzliche Leistungsfähigkeit." Durch die Übungen, die er versuche auch zuhause nachzumachen, sei seine Atmung insgesamt deutlich freier geworden.

Sie kennt jede Diagnose, jeden Leidensweg

Doch jetzt ist genug mit Quatschen. Frau Raible ruft freundlich zum Start der Trainings-Einheiten. Jeder brauche einen Hocker oder einen Stuhl, auf dessen vorderes Drittel man sich setzen solle – kerzengerade, so dass Rücken und Oberschenkel einen rechten Winkel bilden. Und jetzt die Arme rhythmisch heben und senken, jeder in seinem ganz eigenen Atemrhythmus. Keine Höchstleistungen. Nicht wer am meisten schafft – sondern entspannt und locker den eigenen Körper einfach etwas mehr als üblich in Bewegung bringen. "Wenn ihr das Gefühl habt, dass es im Nacken spannt, dann die Arme nicht gar so hoch."

Claudia Raible ist jetzt – das sieht man ihr an – ganz in ihrem Element, hoch-fokussiert auf jeden ihrer Schützlinge. Sie kennt die Geschichte eines Jeden, jede Diagnose, jeden Leidensweg, der bis hierher geführt hat. Sie achtet auf alle zugleich, korrigiert hier mit sanftem Griff einen aus der Balance geratenen Arm, ermutigt dort zu etwas mehr Engagement, und stoppt beim Herrn gleich neben sich, der sein Sauerstoffgerät mitgebracht hat, die Übungen mit fester Hand gleich ganz – damit er sich ja nicht überlastet. "Er hat gerade eine schwere OP überstanden", erklärt sie später.

Aber – wie gesagt – trotz allem ist die Grundstimmung hier auffällig heiter. Wäre dies eine Schulklasse, wäre Martin wohl der Klassen-Clown. Nächste Übung, diesmal für die, die können, im Stehen. "Ich seh wie du stehst", wird Martin mit einem Lachen in der Stimme von Claudia Raible ermahnt. "Da kannst du auch einen langen Rock anhaben..." Es käme nicht auf die Beine beim Geradestehen an, sondern auf die Stellung der Hüfte.

Begegnung mit Schicksalsgefährten

Kurz darauf werden Gewichts-Manschetten an den Fußknöcheln befestigt – es gibt die Manschetten mit verschiedenen Gewichten. Martin frotzelt mit Raible: "Soll ich dir die Wattebäuschchen holen?" Die kontert – indem sie eigenhändig an Martins Beinen die schwersten verfügbaren Manschetten befestigt. "Du kannst das", sagt sie mit viel Ironie und auch ein bisschen Übermut in der Stimme. Alle anderen Lachen mit. Und Martin trägt mit heiter gespielten Leiden die Herausforderung.

Es ist ein eigenwilliger "Spirit" bei diesen manchmal sehr gezeichneten Menschen spürbar. "Ja", bestätigt Raible nach dem Ende der Übungsstunde, "das Training bedeutet den Teilnehmern weit mehr als nur die Bewegung." Es ist der Austausch und die Begegnung mit Schicksalsgefährten, ein Durchbrechen des meist beschwerlichen Alltags. Es ist eine heitere Sternstunde – einmal die Woche, auf die sich alle freuen. Es sei ihr wichtig, so Raible, dass jeder Teilnehmer zum Beispiel die Telefonnummer aller anderen Teilnehmer habe. Einerseits, um – falls ein Training doch mal abgesagt werden müsste – alle in der Telefon-Stafette informieren zu können. Aber auch, damit die Teilnehmer auch unter der Woche den Kontakt hielten, sich austauschten und "auch mal ordentlich über die Trainerin ablästern" könnten.

Wieder lacht Claudia Raible, während sich die Teilnehmer inzwischen wieder für den Alltag umgezogen haben und sich nun von ihr verabschieden – wobei man jedem das Bedauern ansieht, dass die heitere Trainings-Stunde viel zu schnell wieder vorbei war.

Die Reha-Sportgruppen des VfL Nagold gibt es für verschiedene Indikationen: "Lungen-Sport" für Patienten mit chronischer Bronchitis, Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen; "Neuro-Sport" für Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Schlaganfall oder multiple Sklerose; "Diabetes-Sport" für Diabetiker; und "Herz-Sport" für Patienten nach Herzinfarkt, Angina pectoris oder Herzkranz-Operationen und anderen Herz-Erkrankungen. Grundsätzlich sind alle Reha-Kurse für jeden offen, in der Regel werden die Teilnehmer aber von ihrem behandelnden Arzt durch Verordnung zu den Kursen geschickt – wobei die jeweilige Krankenkasse dann auch die Kurs-Gebühren übernimmt. Alle Informationen zu Trainingszeiten und -orten im Internet: www.vfl-nagold.de