Kurz nach 10 Uhr begann die Suche der Polizeitaucher nach dem vermissten 18-Jährigen. Foto: Buckenmaier

Seit drei Tagen vermisster junger Mann wird von Polizeitauchern tot aus der Nagold geborgen.

Nagold - Es waren drei Tage des Hoffens und Bangens für die Familie und Freunde des 18-jährigen Marc Otto, der seit der Nagolder Lichternacht als vermisst gemeldet war. Seit Dienstagmittag herrscht traurige Gewissheit, dass die fröhliche Feier für den jungen Nagolder ein tödliches Ende nahm.

Für Jörg Weber, Leiter der sechsköpfigen Polizeitauchertruppe, die kurz nach 10 Uhr an der Nagold anrückte, ist es in diesem Jahr nicht der erste grausige Fund dieser Art. "Das geht nicht spurlos an dir vorbei", sagt der Polizeioberkommissar, der selbst einen Sohn in dem Alter hat.

"Wenn er da drin wäre, werden wir ihn finden"

Auch nach der groß angelegten, aber ergebnislosen Suche von Polizei, DLRG und Feuerwehr am Sonntag hatte die Familie ihre Hoffnung nicht aufgegeben. Am Montag trafen sich nahezu 50 Freiwillige zu einer Suchaktion entlang der Nagold und auch auf dem Schlossberg. Erhard Schulz, Erster Polizeihauptkommissar am Nagolder Polizeirevier, ist von dem Nutzen der sozialen Netzwerke in solchen Fällen nicht gänzlich überzeugt – zuviel Falschmeldungen kursierten in den vergangenen Tagen über den Verbleib des 18-Jährigen. Aber dass über soziale Medien die private Suchaktion initiiert wurde – "Der gute Wille, der Zusammenhalt, der hier zum Ausdruck kommt" – hält er für positiv.

Am Dienstag kurz nach 10 Uhr geht der erste Polizeitaucher in die Nagold. Fast anderthalb Stunden kann er mit seinem Trockenanzug im Wasser bleiben, das zu diesem Zeitpunkt drei Grad kalt ist. "Wenn er da drin wäre, werden wir ihn finden", zeigt sich Jörg Weber zuversichtlich. Er führt die Leitleine, an der der Taucher festgemacht ist. Meter für Meter durchpflügt er den Fluss von Ufer zu Ufer und wendet wieder. Die Sicht unter Wasser ist gut – wenn das Algengestrüpp nicht wäre. Bis zu drei Meter tief ist die Nagold in der Flussmitte.

Die Suche beginnt an der Stelle, wo am Morgen nach der Lichternacht ein städtischer Arbeiter den Rucksack des Vermissten gefunden hatte: an dem kleinen Holzsteg direkt am Fußgängerüberweg zwischen Schiffsbrücke und Klebsteg.

Das Wasser ist hier seicht, kaum einen Meter tief. Wie kann man hier ertrinken? Darüber sei er auch gestolpert, sagt Helmut Geprägs, als kommissarischer Leiter der Calwer Kripo bei der Suchaktion selbst vor Ort. Aber erfahrene Kollegen wissen, sagt er, dass beim Sturz ins eiskalte Wasser ein Schockzustand eintreten und "man sich selbst nicht mehr aus dem Wasser ziehen kann". Zudem soll der 18-Jährige, als er Sonntagnacht kurz vor 2 Uhr letztmals gesehen wurde, leicht alkoholisiert gewesen sein.

Um 10.53 Uhr gibt der Taucher über Funk durch: "Ich hab was gefunden." Die Beamten wollen schnellstmöglich die vielen Schüler, die in ihrer Pause die Rettungsaktion mitverfolgen wollen, nach hinten drängen. Aber es ist ein Fehlalarm. Die Nagolder Feuerwehr sperrt die Stelle gleichwohl mit rot-weißen Spannbändern ab.

Nach über einstündiger Suche im Wasser verharrt der Taucher gute 20 Meter von dem Holzsteg entfernt an derselben Stelle in der Flussmitte. Dreimal zieht er an der Führungsleine. Jörg Weber weiß sofort, was das bedeutet: Sie haben ihn gefunden. Der Leichnam hatte sich am Nagoldgrund im Algengestrüpp verheddert.

Der Vater des Jungen steht am Ufer. Kripochef Geprägs wollte, aber konnte ihn nicht davon abhalten, bei der Tauchaktion zuzuschauen, und legt ihm den Arm über die Schulter. Als ein zweiter Taucher mit einem weißen Plastiksack ins Wasser geht, besteht kein Zweifel mehr. Es ist 11.26 Uhr. Der Polizistin, die bei der Bergung des Leichnams hilft, stehen noch Minuten später die Tränen in den Augen.

Die Ermittler gehen von einem Unglücksfall aus. Erste kriminalpolizeiliche Untersuchungen nach der Bergung des 18-Jährigen haben keine Anzeichen für ein Fremdverschulden ergeben. Die Staatsanwaltschaft wird zur Klärung der genauen Todesursache eine Obduktion veranlassen.

Um 12.15 Uhr fahren die Taucher, allesamt Freiwillige aus dem Polizeidienst, wieder zurück zu ihren Revieren nach Karlsruhe, Heidelberg, Heilbronn und Stuttgart. Die roten Spannbänder werden eingerollt. "Wenigstens Gewissheit", sagt Polizeihauptkommissar Schulz sichtlich betroffen. "Schrecklich."