Aufführung: Seminarkurs Theater am Nagolder TG begeistert und bewegt mit dem Stück "#Verfälscht"

Wie Gewalt auch heute durch die Macht der Medien rund ums Internet entstehen kann, zeigte die in die Gegenwart transportierte Bühnenfassung des Werkes von Heinrich Böll "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", das der Seminarkurs Theater am TG Nagold aufführte.

Nagold. Schulleiter Reinhard Maier war begeistert über die berührende und bewegende Theateraufführung einer "Truppe, die seit Schuljahresbeginn aus mehreren Individuen zusammengewachsen ist. Der Theaterkurs am TG Nagold hat mit dem Stück ›#Verfälscht‹ viel Emotionalität rübergebracht und trotz Nervosität eine starke und überzeugende Leistung abgeliefert."

Regisseurin und Theaterpädagogin Helga Philipp, die den Theaterkurs leitet, ging noch ein Stück weiter und zeigte sich schwer beeindruckt und gleichzeitig erleichtert, dass ihre "Leute" die Sache "gut gewuppt" haben. "Es war ein heller Genuss, was sich in einigen Monaten getan hat und welch unverfälschte Leistung hierbei entstanden ist – nicht verfälscht, sondern faktisch."

17 Schüler führten unter ihrer Regie das Stück "#Verfälscht" nach der Vorlage von Heinrich Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" auf. Sie traten den Beweis an, dass sich in der heutigen Zeit die Situation rund um die Macht der modernen Medien und die Gewaltentstehung unverändert offenbart. Im Gegenteil, die Situation eskaliere noch schneller, durch Posts, Tweets und Snaps via Internet.

Der Seminarkurs um Helga Philipp hatte sich für ein spartanisches Bühnenbild entschieden, bei dem neben einer großen Schiefertafel und einer Leinwand für Einspielungen vor den schwarzen Wandabhängungen nichts ablenken konnte. Vier Stühle bildeten die wenigen Requisiten und jede Menge Handys, die auf dem Bühnenboden verstreut lagen, reichten aus, um die Böllsche Episodenvorlage ins heutige Zeitalter zu versetzen.

Die Truppe hat sich seit dem Schuljahresbeginn im vergangenen Herbst intensiv mit der textlichen Vorlage, die im Jahr 1974 spielt, auseinandergesetzt, um die Adaption ins Medienzeitalter zu realisieren. Diese Herausforderung ist den Akteuren sehr gut gelungen, entstanden ist ein Theaterstück, das sich in über 30 Szenen, trefflich und gekonnt umgesetzt, präsentierte. Die Akteure wurden musikalisch begleitet von ihrem Deutschlehrer Matthias Ehmig an der E-Gitarre und Felix Burrer an Klavier und Saxophon.

Alle Jung-Schauspieler zeigten große Leistungen und überzeugten mit ihrer Bühnenpräsenz und Textsicherheit. Gemeinsam mit Stimmbildungstrainerin Patrizia Cammilleri feilten sie bis zum Schluss an ihrer Artikulation.

In das Stück eingebaut wurde auch die Sicht der Böll-Enkelin Hannah, die darstellte, wie ihr Großvater die heutige Situation betrachten würde.

Das Premierenpublikum sparte nicht mit Szenenapplaus für die Akteure und zeigte sich begeistert über die ausdrucksstarke Stimme von Aurelianer Constantin Callies, der kurzfristig einsprang, mit zwei Solonummern die Überraschung des Abends war und gesanglich brillierte.

Pressefreiheit, Menschenwürde und weitere geschützte Rechte bestimmten den Inhalt des überwiegend statisch dargestellten Stücks rund um Katharina Blum und der Vorwürfe gegen sie, die der Journalist Werner Tötges durch falsche Darstellungen in Presse und Internet-Tweets und über Handy-Kontakte in eine verkehrte Richtung lenkt. Selbst die in der Pause bei den Zuschauern durchgeführte Umfrage per Tablets nach Schuld oder Unschuld der Protagonistin verwandelte der die Pressefreiheit für seine Zwecke missbrauchende Journalist in das Gegenteil. Er machte Katharina dadurch zur Schuldigen. Ihr Gewissen trieb die zarte und reine Katharina in die Gewalt und machte sie am Ende zur Mörderin, nachdem sie in Riesenbuchstaben und fetter Schrift das Wort "Tod" auf die Schiefertafel geschrieben hatte.