Der Müllwagen stürzte am 11. August auf ein Auto und tötete fünf junge Menschen. Foto: Bernklau

Mülllaster-Fahrer war laut Ermittlern zu schnell unterwegs. Keine technischen Defekte am Fahrzeug.

Nagold/Tübingen - Es ist der 11. August 2017. Gegen 12.45 Uhr kippt in der Nähe von Nagold ein Mülllaster um – und zerquetscht das Auto einer jungen Familie aus dem benachbarten Mötzingen (Kreis Böblingen). Die 25 Jahre alte Fahrerin, ihr Freund (22), die zweijährige Tochter und der nur wenige Wochen alte Sohn sowie die Schwester der Fahrerin (17) sind auf der Stelle tot.

Während der Schock über die Tragödie bei Rettern und in der Bevölkerung tief sitzt, beginnen die Ermittler ihre Suche nach dem Warum. Drei Monate dauert die Spurensuche von Polizei, Staatsanwaltschaft und einem Sachverständigen. Sie sichern Spuren, befragen Zeugen, den 54-jährigen Fahrer des Unfall-Fahrzeugs, nehmen den Mülllaster genauestens unter die Lupe. Dabei stehen sie besonders unter Strom – und unter dem Eindruck der Ereignisse. »Das war für alle Beteiligten kein einfacher Fall«, verrät Staatsanwältin Tatjana Grgic.

Jetzt sind die Ermittler zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Eine der größten Tragödien im Straßenverkehr im Nordschwarzwald ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Tübingen nicht auf technisches Versagen, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen.

Unfall wäre vermeidbar gewesen

Der 54-jährige Fahrer war mit seinem 20 Tonnen schweren Fahrzeug auf der abschüssigen Straße zwischen dem Nagolder Industriegebiet Wolfsberg und der Landesstraße, auf die er einbiegen wollte, schlicht zu schnell unterwegs. Die Ermittler sind sich sicher: Wäre er statt mit 50 nur mit 30 Stundenkilometern unterwegs gewesen, wäre der Horror-Unfall zu verhindern gewesen.  Die Konsequenz: Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat in dieser Woche Anklage wegen fahrlässiger Tötung in fünf Fällen gegen den 54-jährigen Unfall-Fahrer erlassen. Würde er in einem Prozess schuldig gesprochen, drohen dem Mann bis zu fünf Jahre Haft.

Zunächst sei der Wagen auf der Strecke mit »angepasster Geschwindigkeit« unterwegs gewesen, heißt es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Tübingen. Dann jedoch habe der Lkw auf rund 50 Stundenkilometer beschleunigt. Der Fahrer habe zu spät erkannt, dass er mit dieser Geschwindigkeit die am Ende der Gefällstrecke befindliche – gut einsehbare und übersichtliche – Linkskurve nicht befahren konnte.

Wagen driftet auf Gegenfahrbahn und kippt um

In der Kurve geriet der Wagen außer Kontrolle. Der Fahrer versuchte den Wagen noch nach rechts auf die Landesstraße zu steuern. Doch weil die Geschwindigkeit des Lasters zu hoch war, driftete er auf die Gegenfahrbahn, kippte um und begrub den Golf der jungen Familie unter sich. Die Meinung der Ermittler ist eindeutig: Der Fahrer hätte es vermeiden können, dass der Laster außer Kontrolle geriet. Nach dem Unfall hatte dieser von technischen Problemen am Fahrzeug gesprochen, die zu der Tragödie geführt hätten.

Doch dem widerspricht das von einem Sachverständigen angefertigte Unfallgutachten. Dieses  sagt aus, dass der Lastwagen in einem sehr guten Zustand gewesen sei. In einem technisch einwandfreien Zustand habe sich auch die Bremsanlage befunden, meint  der Gutachter. Fehler, die das Fahrzeug ohne Zutun des Fahrers hätten beschleunigen können, seien auch nicht festzustellen gewesen.

Darüber hinaus habe sich herausgestellt, dass der Fahrer nicht unter Alkoholeinfluss stand und auch keine gesundheitlichen Probleme gehabt habe. Die Schlussfolgerung der Ermittler: Es verbleibe »ein Bedienfehler des Fahrers« als Unfallursache.