Thomas Freitag – hier beim Auftritt in Nagold – ist ein Kabarettist der alten Schule Foto: M. Bernklau

Kabarettist lässt in der Alten Seminarturnhalle in Nagold seinen Herrn Schüttlöffel lästern. Er kämpft gegen den galoppierenden Schwachsinn.

Nagold - Er ist ein Kabarettist von altem Schrot und Korn. Thomas Freitag war wieder mal zu Gast in Nagolds Alter Seminarturnhalle mit seinem Programm "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel".

Die Szenerie, die Thomas Freitag als Einstieg und Rahmen für sein Solo von Pointen und Parodien wählt, ist bezeichnend: Dieser Herr Schüttlöffel ist ein alternder Bibliothekar, der sich voll Verzweiflung verbarrikadiert und ein paar seiner Bücher als Geiseln nimmt, um seine Stadtbücherei vor der Abschaffung zu retten.

So ganz nebenbei kann Thomas Freitag über seine Kunstfigur gleich mal klarstellen, dass er seinen Goethe, seinen Schiller noch aus dem Effeff beherrscht und passagenweise den Faust, die Glocke oder zur Not auch mal Rilke flüssig und unfallfrei aufsagen kann. Das hat fast etwas Rührendes. Und schließlich war es ja nicht das Schlechteste, dass ein traditionelles kritisch-linkes Kabarett sein aufmüpfiges und aufklärerisches Ätzen gegen die Mächtigen und gegen den dumpfen Stammtisch mit einer gewissen bürgerlich-konservativen Bildungs-Huberei verband.

Thomas Freitag beherrscht aber auch die alten Formen satirischer Provokation. Dazu gehören nicht nur Hohn und Spott, der grobe Hammer von Beinahe-Beleidigungen wie das feine Florett von spitzen Witzen und frechen Pointen im Text. Dazu gehört auch eine gewisse wandlungsfähige Schauspielkunst, deren Parade-Disziplin auf der Kabarettbühne die perfekte Parodie ist. Mit seinen Persiflagen auf Herbert Wehner, Willy Brandt und Franz-Josef Strauß hat Freitag Parodie-Geschichte geschrieben. Das waren einst todsichere Brüller, auch wenn es nun schon ein Weilchen her ist. Aber die Angejahrten unter den Junggebliebenen freut das.

So schlecht ist das nicht, wie der inzwischen 64-jährige seinem Lessing und all den anderen Klassikern das Stummel-Deutsch eines türkisch-stämmigen Schulhof-Sprechs entgegensetzt: "Isch mach disch Krankenhaus!" Aber Freitags tapferer Kulturpessimisten-Kampf gegen den galoppierenden Schwachsinn und den unaufhaltsamen Untergang des Abendlandes wirkt dann doch ein bisschen angestrengt, ja beschwerlich.

Auch der Doppelschlag kommt etwas bemüht daher, wie er – mit ganz gegenteiliger Zielrichtung – den Stammtisch-Belieferer Thilo Sarrazin abfertigt und gleichzeitig die schöne neue Welt des Internet verkackeiert: Auf dem Örtchen sitzend, dient ihm so ein per Blitzbestellung geordertes Buch als schneller Ersatz fürs ausgegangene Wischpapier.

Selbstverständlich will Freitag in Appellen an das "Wir" auch selbstkritisch aufrütteln. Nicht irgendwelche bösen Mächte oder Mächtige, nein "wir, die Konsumenten, halten den Kapitalismus aufrecht" – mit unseren SUVs und Sitzheizungen, der Schnäppchenjagd, der "Selbstoptimierung" durch Sport und Functional Food und Fleischverzicht. So findet das jedenfalls der kölsche Pommes-Siggi, eine von seinen sehr gelungenen Figuren. Kafkas Affe als Freitags Sprachrohr hingegen ist wieder viel zu ernst, viel zu sehr mahnend moralischer Missionar, wenn er spaßfrei verkündet, wo er ja auch wieder recht hat: "Der Mensch ist mehr als Humankapital."

Wie es sich gehört für einen Kabarettisten seines Rangs, aktualisiert Thomas Freitag sein inzwischen wohl drei Jahre altes Programm auch. "Kopf ab zum Gebet" zum Isis-Geschlachte ist zwar von Tucholsky entlehnt, aber immer noch zynisch gut. Doch dann bleiben da auch so Sachen stehen wie die längst erledigte, überholte Bosheit: "Ich will FDP-Wähler nicht mit Hunden vergleichen – Hunde zahlen Steuern."

Ein klein wenig überholt, leicht angejahrt und aus der Zeit gefallen ist dieses ganze Thomas-Freitag-Solo. So war denn auch der Beifall: ein bisschen müde. Als Dank gab es die brillante Nummer vom Rentner-Tagebuch aus dem Repertoire. Alte Schule, etwas abgestanden.