Serie Starke Frauen: Siegrid Plaschke ist Weinhändlerin und Kommunalpolitikerin aus Leidenschaft

Von Axel H. Kunert

Nagold. Wenn man beschreiben möchte, was die Nagolder Power-Frau Siegrid Plaschke in ihrem Leben so antreibt und geprägt hat, kristallisiert sich im Gespräch mit der Inhaberin zweier Weinläden, der Ortschafts- und Gemeinderätin, der gelernten Journalistin genau zwei Dinge heraus: Menschen und Reisen. "Und natürlich der Wein", wie sie selbst sagt.

Die Reisen: In Metzingen geboren, in Hochdorf aufgewachsen, in Nagold zur Schule gegangen, lockte nach dem Abitur das Traumland Kanada. "Ich bin zum Arbeitsamt. Die haben gefragt: Was können sie. Ich habe gesagt: Alles." Gedacht habe sie: "Das werde ich schon irgendwie hinbekommen." Irgendwann stand sie im Vor-Handy-Zeitalter in einer Telefonzelle des Nagolder Postamtes, und telefonierte mit jemand aus Kanada. Zehn Sätze. Und sie hatte die Stelle als Au-Pair in Ottawa. Und den "Turbo" zum Erwachsenwerden.

Von einen Tag auf den anderen war sie für drei Kinder, einen kompletten Haushalt und einen blinden Uni-Professor für Linguistik verantwortlich. Eben einer dieser prägenden Menschen. Das alles ein Klacks offensichtlich für Siegrid Plaschke. Denn nebenbei beginnt sie an der Uni dort im fernen Land Italienisch und Psychologie zu studieren, baut mit dem Hausherrn das Haus der Familie um, kocht jeden Tag für alle, backt jeden Tag Brot. "Es gibt nichts, was man sich nicht erarbeiten kann", erzählt sie heute viele Jahre später. Zu dieser Erkenntnis gelangte sie damals in dieser aufregenden Zeit.

Aber auch diese Zeit ging vorbei. Die Reise weiter. Mit dem Peugeot-Fahrrad von Seattle an der US-Westküste hinunter nach Kalifornien, Ziel San Francisco. Es war die Hippie-Ära. Viele spannende Leute habe sie getroffen. Aber sie spart in ihrem Bericht auch die zwei Wochen in der Moon-Sekte nicht aus. "Eine extreme Erfahrung." Sollte sie alles aufgeben, um die Welt zu verbessern? Alle alten Kontakte abbrechen? Plaschke entscheidet sich, lieber aus dieser Sekte auszubrechen. Und zurück nach Deutschland zu kehren. Auch eine extreme Erfahrung, aber eine positive – die Rückkehr: "Ich habe dabei festgestellt, was Heimat wert ist." Mit 18 wollte sie nur weg. Mit 20 nur noch "zurück sein".

Aber Siegrid Plaschke hatte nun etwas zu erzählen, hatte über den Tellerrand geblickt. "Journalismus, das Schreiben traten in mein Leben." Es klappt mit dem Volontariat beim Schwarzwälder Boten, später mit der Redakteursstelle in Stuttgart. Sie lernte ihren Mann kennen, Ulrich. Der arbeitete in der IT. Sie bauen das schöne Holzhaus in Hochdorf, vielleicht eine Reminiszenz an Nordamerika, wo man fast nur mit Holz baut. Die beiden Kinder werden geboren. Anfang der 1990er-Jahre dann die Idee, die Weinhandlung zu übernehmen. "Wenn man anfängt, sich mit Wein zu beschäftigen, beginnt eine Reise, die niemals endet." Wieder eine Reise. Und ein wunderschöner Satz, mit dem Siegrid Plaschke ihre Passion für dieses sinnliche Getränk beschreibt.

Ein sinnliches Erweckungserlebnis

Woher aber überhaupt diese Lust am Wein? Eine weitere Reise, eine weitere Geschichte erzählt das: Durch einen Schüleraustausch sei sie als Jugendliche in die Provence gekommen, zu zwei zauberhaften alten Damen, die in einer Mühle wohnten. Und "unglaubliche Sachen gekocht" haben. Ein sinnliches Erweckungserlebnis. Wie aus einem schon fast kitschigen Roman. Aber hier: erlebtes, echtes, prägendes Leben. Das für Siegrid Plaschke in die Karriere als Weinhändlerin münden sollte. Aber eigentlich sei es nicht so sehr der Wein, das Getränk oder gar der Alkohol. Sondern – wieder – die Menschen dahinter. Die Geschichten. Wer macht diesen Wein? Wie macht er ihn? Und wie findet man die Menschen, ihre Kunst und ihre Heimat in den edlen Tropfen wieder?

Für sie, erzählt Siegrid Plaschke, sei dieses Erzählen der Weingeschichten, was ja eigentlich das Verkaufen ihres Weines sei, ihr Lebenselixier. "Wenn es mir schlecht geht, gehe ich in den Laden, Wein verkaufen." Dann gehe es ihr wieder gut. Der Umgang mit den Menschen sei es auch, was sie an der Arbeit in der Kommunalpolitik, im Ortschaftsrat und Gemeinderat, interessiere. Oder im Werbering, den sie zehn Jahre geleitet habe. Sie sei dabei, auch als junge Frau, immer voll akzeptiert worden. "Ich habe nie gedacht, als Mann hätte ich es einfacher gehabt."

Und – Ruhestand? Siegrid Plaschke atmet tief und hörbar ein. Seit zwölf Jahren ist sie Witwe, seitdem leitet sie die beiden Weinhandlungen alleine. Sie sieht Freunde, Bekannte, die in Pension gehen. "Was für ein langweiliges Leben", sagt Plaschke. Sie treibt gerne Sport, Skifahren. Fahrradfahren. Ist gerne zu Fuß unterwegs. Liebt ihren Beruf. "Ich habe nette Kinder, ein tolles Team." Tochter Anne macht gerade ihren Master im Weinbau. Zeit aufzuhören sei es vielleicht, wenn die Arbeit zur Bürde wird. Aber im Moment stimme noch die "Work-Live-Balance", wie sie sagt. Das Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeit. Es seien noch genug Reisen für sie zu machen. Noch genug Geschichten zu erzählen. Und noch so viele tolle Menschen zu treffen.