Der Förderverein Alte Seminarturnhalle feiert mit dem, wie er es am besten kann – mit Kultur satt

Von Roland Buckenmaier

Nagold. Preisen mit viel schönen Reden – und sich damit den runden Geburtstag vergällen? Von wegen, dachte sich Wolfgang Schäfer, rühriger Vorsitzender des Fördervereins Alte Seminarturnhalle, und legte all seine Festtagsfrusterfahrung in ein ganz anderes Partykonzept. Ein schöneres Geschenk hätte er sich und seinen Mitgliedern damit nicht machen können.

In was für einem erbärmlichen Zustand, reif für den Abriss, diese Nagolder Kulturstätte anno 1992 war und welche Erfolgsgeschichte sich hinter diesem Verein verbirgt, der dieses Kleinod mit viel Engagement und vor allem Leidenschaft seit zwei Jahrzehnten trägt, daran erinnerten sowohl Wolfgang Schäfer wie auch Oberbürgermeister Jürgen Großmann. 400 Mitglieder zählt der Verein mittlerweile, fast jedes zweite von ihnen wollte sich dieses Geburtstagsfest nicht entgehen lassen, darunter Frauen und Männer der ersten Stunde wie Monika Monauni oder Hans-Joachim Fuchtel, die den Grundstock für diese "großartige Gemeinschaftsleitung" (OB Großmann) legten: "Wer hätte das gedacht,", sinnierte das Stadtoberhaupt, "dass die Seminarturnhalle in nur zwei Jahrzehnten d i e Kleinkunstbühne in der Region werden würde?" und zugleich als "kulturelle Denkfabrik" die Stadt zum rund um die Halle entstehenden Kulturquadrat inspirieren könnte.

Das war’s dann aber auch schon mit den Grußworten. In den nachfolgenden vier Stunden zeigte der "Semihallenverein" das, was er am besten kann: Kultur satt. Voran die vereinseigene Theatergruppe "Vorhang auf". Autorin Uschi Marmon schuf eigens für diesen Abend ein köstliches Stück, in dem – frei nach Goethes Faust – himmlische und teuflische Mächte einen Pakt eingingen, um der Seminarturnhalle beizustehen. Die Autorin schrieb den Akteuren die Rollen auf den Leib: teuflisch gut Torsten Müller als Mephisto, himmlisch-affektiert Kurt Wolz als smokinggewandeter Allmächtiger, hinreißend Silja Seeger als Gretchen in der Schar der kreischenden Engel und herrlich tollpatschig Andreas Schäfer als Faust und Sylvester Keller als Günter. Wer diese tolle Truppe erstmals auf der Bühne erlebte, musste neidvoll erkennen, was er in den zehn Jahren ihres Bestehens bislang verpasst hat.

Kabarettist Mike Jörg ist dagegen ein Mann der leisen Töne und setzt bei seinem Jubiläumsgastspiel lieber Frage- als Ausrufezeichen. Ein Wortakrobat, der vielmehr dagegen- statt unterhalten will. Indem er Sätze seziert, geht er dem Zeitgeist und den (Ab-)Normalitäten des Alltags auf den Grund und verpackt so feinsinnig und geistreich seine Gesellschaftskritik.

Einer durfte an diesem Abend natürlich nicht fehlen: der Kabarettist und Ur-Nagolder Klaus Birk. Er hat die Seminarturnhalle schon unzählige Male gefüllt und kann aus einem Füllhorn von Insiderwissen schöpfen. Und er watscht sie, satirisch und bissig wie ehedem, alle ab und hält ihnen den Spiegel vor: den Nagolder Kulturbanausen, den Kommunalpolitikern auf Wahlkampftour und den Badenern sowieso. Einen besseren Laudator hätte sein Freund Wolfgang Schäfer für diesen Anlass nicht finden können.

Und wen es bis zu diesem Zeitpunkt nicht von den Sitzen riss, für den machte Stammgast Steve Big Man Clayton der alten Turnhalle alle Ehre. Was der Meister des Boogie Woogie seinem Pianoentlockte, war schweißtreibender Höchstleitungssport und zugleich musikalisches i-Tüpfelchen einer lockeren und durch und durch amüsanten Geburtstagsparty.