Weidls Vorwurf, den er in einem offenen Brief formuliert: Winterholer habe bei der seinerzeitigen Präsentation der Pläne um die Zukunft des Gemeindezentrums St. Michael Anwesende und Öffentlichkeit belogen. Foto: Fritsch

Kirchengemeinderat Marcus Weidl bezichtigt Dekan Winterholer der Lüge - und tritt zurück.

Nagold - Die katholische Kirchengemeinde kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Entscheid des Bischofs, Kirche und Gemeindezentrum St. Michael im Nagolder Kernen zu profanieren und dem Hospiz-Verein zum Abriss zu überlassen, kam es am Freitag zu einer neuen Eskalation mit den Abrissgegnern: Der Vollmaringer/Mötzinger Kirchengemeinderat Marcus Weidl trat mit einer schweren Anschuldigung in Richtung Dekan Holger Winterholer von seinem Amt zurück.

Weidls Vorwurf, den er in einem offenen Brief formuliert, der an alle Mitglieder des Kirchengemeinderats versendet wurde: Winterholer habe bei der seinerzeitigen Präsentation der Pläne um die Zukunft des Gemeindezentrums St. Michael Anwesende und Öffentlichkeit belogen. So habe er im Rahmen einer Infoveranstaltung am 14. Oktober vergangenen Jahres zum Zustand der Bausubstanz von St. Michael gesagt – und sei so auch später öffentlich zitiert worden: "In den nächsten zehn Jahren muss eine Betonsanierung erfolgen!" Zum Hintergrund: Die mutmaßliche Sanierung und die damit verbundenen hohen Kosten waren aus Sicht der Abrissgegner eines der Hauptargumente der Abriss-Befürworter von St. Michael.

Dekan Winterholer habe dann auch noch einmal später in einem Flugblatt zum Thema St. Michael wiederholt: "Vermutlich in den nächsten zehn Jahren (Bedarf für) eine Betonsanierung; jedoch könnte es auch schon früher erfolgen" – wobei sich Dekan Winterholer als Autor des Flugblatts auf Aussagen des Architekten Horst Eberhardt vom Bischöflichen Bauamt berufen habe.

Genau diesen Aussagen ist Marcus Weidl in der Folge in eigenen Recherchen nachgegangen. So fand er im Protokoll einer Kirchengemeinderatssitzung für Nagold/Wildberg vom 24. Februar 2015 zum Thema "Gemeindezentrum Kernen" den Vermerk: "Mit Architekt Eberhardt hat eine Begehung des Gemeindezentrums Kernen stattgefunden. In den nächsten zehn Jahren besteht kein dringender Handlungsbedarf in Richtung Sanierung des Betons (…)."

Nur ein Mosaikstein auf dem Weg der Entscheidung?

Den gesamten Sachverhalt habe Weidl anschließend auch dem Leiter der Hauptabteilung Kirchliches Bauen des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg, Domkapitular Uwe Scharfenecker, zugeleitet, der wiederum den zitierten Architekten im eigenen Haus angesprochen und um Klärung gebeten habe. Mit dem Ergebnis, dass Architekt Eberhardt bestätigte, dass in den zitierten nächsten zehn Jahren ausdrücklich "kein dringender Bedarf bezüglich einer Betonsanierung" bestehe.

Mit diesen Fakten konfrontierte Weidl dann Dekan Winterholer direkt, wie er in seinem Rücktrittsschreiben erläutert – und zwar auf einer Kirchengemeinderats-Klausur in Herrenberg am 12. März dieses Jahres. Winterholer habe dabei zwar seine Aussagen zu Architekt Eberhardts Stellungnahmen relativiert, und nur noch von "zehn Jahre plus/minus" in Bezug auf die strittige Betonsanierung gesprochen. Winterholer habe es aber abgelehnt, seine ursprünglichen, absoluten Aussagen in dieser Sache öffentlich zurückzunehmen. Weshalb es für ihn, so Weidl, mittlerweile keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Kirchengemeinderat mehr gebe. Weidls abschließende Erklärung: "Wenn ein katholischer Priester, noch dazu Dekan, sich nicht an die Wahrheit gebunden fühlt und auch nicht bereit ist sich zu entschuldigen, ist das nicht nur eine schwere Enttäuschung, sondern ein Skandal und eine Schande für die katholische Kirche!"

In einer schriftlichen Stellungnahme zu diesen Vorwürfen bestätigt Dekan Holger Winterholer gegenüber dieser Zeitung zwar den offensichtlichen Widerspruch zwischen seinen und Domkapitular Scharfeneckers Äußerungen. Allerdings: "Derjenige, der (diesen Widerspruch) wohl aufklären könnte, wäre der zuständige Architekt aus dem Ordinariat in Rottenburg – der mit mir vor gut eineinhalb bis zwei Jahren gesprochen hat und vor gut einem halben Jahr mit Herrn Scharfenecker", so Winterholer wörtlich. Aus seiner Sicht, so der Dekan weiter, wäre es hilfreich gewesen, wenn Marcus Weidl sich direkt bei diesem Architekten (Horst Eberhardt) über das Zustandekommen der widersprüchlichen Aussagen informiert hätte.

Es sei ihm aber auch wichtig zu betonen, so die weitere Erklärung des Dekans, dass "die Betonsanierung nur ein Mosaikstein auf dem Weg der Entscheidung des Kirchengemeinderates Nagold-Wildberg war", das Gemeindezentrum Kernen dem Hospiz-Verein als Standort für das künftige stationäre Hospiz anzubieten. Die verschiedenen Beweggründe dürften nun nicht auf einen einzigen dieser Gründe reduziert werden. Persönlich bedauere er es sehr, dass Weidl sich aus dem Kirchengemeinderat Vollmaringen-Mötzingen zurückziehe, ohne dass es zuvor zu einem echten "offenen und vertrauensvollen Gespräch" der Beteiligten gekommen wäre.