Können zum zehnjährigen Bestehen eine positive Bilanz der Schuldnerberatung der Kreisdiakonie ziehen (von oben): die hauptamtlichen Schuldnerberater Peter Schrag und Peter Koch, Diakonie-Geschäftsführer Bernd Schlanderer sowie die ehrenamtlichen Helferinnen Elisabetha Füssinger und Elfriede Sommerer. Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Schuldnerberatung der evangelischen Diakonie existiert seit zehn Jahren / Entschuldungsfonds nun bei 100 000 Euro

Von Sebastian Bernklau

Kreis Calw. Fast 5000 Menschen haben bei ihnen schon Hilfe aus schier ausweglosen Situationen gesucht. Mit fast 100 Millionen Euro Schulden haben sie es dabei zu tun gehabt. Seit zehn Jahren gibt es nun die Schuldnerberatung der Diakonie im Kreis und eines ihrer Erfolgsgeheimnisse liegt im guten Zusammenspiel von Hauptamtlichen und sehr engagierten Ehrenamtlichen.

Anna (Name geändert) erzieht ihre beiden Kinder alleine. Eines Tages wird sie krank. Muss sogar mehrere Wochen ins Krankenhaus. Mit fatalen Folgen. Durch die Krankheit verliert sie ihren Job, ihr Einkommen schrumpft. Schnell entstehen 6000 Euro Schulden. Irgendwann hilft auch der Dispokredit des Girokontos nichts mehr. Zwei Kinder, keine Arbeit, große Schulden – der Druck auf Anna wächst und wächst. Schließlich fasst sie einen Entschluss, der ihr Leben in neue, bessere Bahnen lenken hilft. Sie findet den Weg zur Schuldnerberatung der Diakonie im Landkreis Calw.

"Da ist keiner aus Leichtsinn in die Schuldenfalle getappt"

Fast 5000 Menschen haben in den zehn Jahren, die es die Schuldnerberatung der Diakonie im Kreis Calw jetzt gibt, deren Hilfe gesucht. Vielen Menschen konnten die seit 2005 zwei hauptamtlichen Schuldnerberater Peter Koch und Peter Schrag, die von einem Team aus elf Ehrenamtlichen unterstützt werden, helfen. Mehr als 1000 Menschen konnten sie nach intensiver Beratung in ein entschuldendes Insolvenzverfahren begleiten. Dabei hatten die Helfer mit einer enorm hohen Summe an Schulden zu tun: 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten haben die Berater in dieser Zeit bearbeitet.

Dass die Schuldnerberatung eine solche Erfolgsgeschichte werden würde, war vor gut zehn Jahren alles andere als klar. Als der Landkreis 2004 aus der Schuldnerberatung aussteigt, erklärt sich der evangelische Diakonieverband bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. "Mit dem betroffenen Klientel sind wir ohnehin in Kontakt", erklärt Bernd Schlanderer, Geschäftsführer der Kreisdiakonie, die rasche Entscheidung, damals auf diesem Sektor einzusteigen. Anfangs sei die Finanzierung des Angebots "abenteuerlich" gewesen, erinnert sich Schlanderer. Doch sie kommt ins Rollen. Nach einem Jahr sind zwei Hauptamtliche an Bord. Die werden – erstmals in Baden-Württemberg – von inzwischen elf Ehrenamtlichen wie Elfriede Sommerer und Elisabetha Füssinger unterstützt. Diese Hilfe ist für die Hauptamtlichen überhaupt kein Problem – im Gegenteil: "Durch sie wird unser Angebot besser und vielfältiger", weiß der Schuldnerberater Peter Koch.

Zu tun bekommen es die Berater dabei mit ganz unterschiedlichen Menschen, Lebens- und Leidensgeschichten. Doch eines haben alle gemeinsam: "Da ist keiner dabei, der aus purem Leichtsin in die Schuldenfalle getappt ist", erzählt Elisabetha Füssinger. Ältere Menschen, die gar nicht wissen wie wenig Rente sie eigentlich haben, sind da genauso dabei wie Kranke, die durch hohe Behandlungs- und Medikamentenkosten in die Schulden getrieben werden. Oft warten die Betroffenen sehr lange bis sie sich Hilfe suchen, "bis die Angst vor dem Gerichtsvollzieher oder gar dem Gefängnis zu groß ist", wie Peter Koch berichtet. "Diese Angst versuchen wir zu lindern, diesen Druck versuchen wir zu nehmen."

"Unser System funktioniert und ist erfolgreich"

Ein entscheidendes Hilfsmittel bei dieser Hilfe sind nicht nur intensive Beratungen. Der Entschuldungsfonds "Neue Chance" hat sich da besonders bewährt. Aus ihm erhalten bestimmte Betroffene Darlehen ausbezahlt, um ihre Situation in den Griff zu bekommen. Rund 70 000 Euro gingen schon an Darlehen an Hilfsbedürftige, rund 70 Prozent davon haben die Klienten bereits an den Fonds zurückgezahlt. Von den 44 gewährten Darlehen wurden bereits 25 komplett zurückgezahlt. Zahlen, die Geschäftsführer Schlanderer stolz und zufrieden machen: "Daran sieht man, dass unser System funktioniert und erfolgreich ist, erfolgreicher als das System der Banken."

Dass dieser Fonds überhaupt diese finanziellen Möglichkeiten hat, das ist vor allem den "in unglaublicher Art und Weise engagierten" (Schlanderer) ehrenamtlichen Helferinnen Gerlinde Sommerer und Elisabetha Füssinger zu verdanken. Unermüdlich und in innovativer – und preisgekrönter – Art und Weise haben sie Spenden für den Fonds gesammelt und das bei dessen Einführung ausgegebene Ziel erreicht: 100 000 Euro stehen dem Fonds nun zur Verfügung. Gut möglich, dass die Berater das Geld gut gebrauchen können. Denn der Strom der Neu-"Kunden" der Beratungsstelle reißt nicht ab. "Jedes Jahr verzeichnen wir 500 Neu-Klienten", berichtet Berater Peter Koch. Die Arbeit wird ihnen also nicht so schnell ausgehen.

Der Evangelische Diakonieverband im Kreis Calw feiert den zehnten Geburtstag der Schuldnerberatung am kommenden Sonntag, 19. Oktober, ab 10 Uhr mit einem Diakoniegottesdienst in der Calwer Stadtkirche.