Echt schwäbisch: Die Band "Wendrsonn" mit Sängerin Biggi Binder Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Dialektband Wendrsonn aus Backnang hat ersten Nagolder Auftritt in der Seminarturnhalle

Von Martin Bernklau

Nagold. So richtig besetzt ist der Thron ja nicht, auf dem mal Wolle Kriwanek oder die Schwabenrocker von Schwoißfuaß saßen. Wendrsonn, die fünf Mann und eine taffe Frau starke Folkrock-Band aus Backnang, hätte schon das Zeug dazu. Am Freitagabend hatte sie ihre Nagolder Premiere in der gut besuchten Alten Seminarturnhalle.

Ganz jung sind sie nicht mehr. Gerade in den Liedern der neuesten CD schwingt schon stark das Lebensgefühl der Siebziger und Achtziger von Bluejeans, VW-Bus und Friedens-Demo und oberschwäbischer Kiffer-Kommune nach: "Geile Zeit". Guinness, Whisky und Kilkenny haben da ihren Platz und spielen auch im irischen Touch der Musik ihre Rolle. Selbstverständlich müssen in den konsequenten Dialekttexten auch die ewig gültigen schwäbischen Lebensweisheiten zu ihrem Recht kommen. Mit dem rockigen Einheizer "Oiner goht no nei" beginnt Frontmann Markus Stricker die Reihe der "Songs von dahoim", die manchmal den Blues haben, keltisch-folkig tänzeln oder auch einfach mal dem schwäbischen Volkslied "Widele Wedele" huldigen.

Das handelt ja von Bettelmanns Hochzeit und spielt zu Zeiten der Bauernkriege, die vor 500 Jahren mit dem Aufstand des "Armen Konrad" gegen die Obrigkeit in der Wendrsonn-Gegend des Remstals begannen.

Weit zurück in die Heimatgeschichte

Mit dem eindrücklich melancholischen "Ninna Nanna" als einem "Wiagalied fürs Engele" geht auch Sängerin Biggi Binder weit zurück in die Heimatgeschichte: als Pfarrer und pietistische Ehrbarkeit im Murrhardter Wald Ende des 19. Jahrhunderts einem katholisch-italienischen "welschen" Fremdarbeiterkind, das im Dorfteich ertrunken war, das christliche Begräbnis verweigern wollten...

Die Blockflöte von Biggi Binder ist nur eines von einer ganzen Armada an Instrumenten, die bei den schwäbischen Multi-Musikern zum virtuosen Einsatz kommen. Den Sound der Band prägt allen voran auch der verteufelt fingerschnelle Geiger Klaus Marquardt, der schon mit weit berühmteren Weltmusikern auf Tournee oder im Studio war. Er spielt auch Mandoline. Bassist Ove Bosch singt und schlägt hin und wieder den Topf. Zur Quetschkommode, zur Ukulele oder in die Tasten greift Markus Stricker, manchmal sogar in die Luftgitarre. Kreischende E-Gitarren-Soli im Stil von Hendrix, Clapton oder Led Zeppelin kann der meist ganz stoisch-ruhig dastehende Micha Schad ebenso zupfen wie feine Akkorde auf der Akustischen oder dem Banjo. Und singen tun sie alle, außer vielleicht dem exzellenten Drummer Heiko Peter im Hintergrund. Kleine schwäbische Geschichten und Anekdoten, auch übers eigene Älterwerden erzählt Markus Stricker zwischen einem von Biggi Binder richtig verbittert vorgetragenen Liebeslied übers Schätzle, das jetzt mit "so ’ra Huddl aus d’r Stadt romknutscht" oder der bluesigen Hymne an "Baggene, d’r Flecka", das der Backnanger Oberbürgermeister angeblich "gar net so meega" soll. Zur Hymne taugen auch Songs wie "Reig’schmeckter" oder vor allem "Da ben i dahoim". Am Schwäbischen führt kein Weg vorbei im Text, aber im musikalischen Stil herrscht Vielfalt. Karibische Rhythmen etwa tragen das etwas böse "Uff em Wase graset Hase", weil da laut Ansager Stricker wieder irgendwelche Kiffer aus Ravensburg was mit der Absage ans Mädle zu tun haben: "Lieber will i gar koi Schätzle als no so en Flederwisch".

Das hat alles Kraft und ganz was Echtes und Eigenes, aber auch den selbstironischen Hintersinn des ganz besonderen schwäbischen Humors und eine Menge alten rebellischen Schwungs. Den Nagolder Besuchern hat’s richtig gut gefallen, nach einer gewissen Aufwärmphase haben sie die Geschichtchen und der Schwobarock aus dem Unterland sogar echt mitgerissen. Die Wendrsonn darf ganz gewiss wieder mal aufgehen in der Semihalle.