Foto: Schwarzwälder-Bote

Baustelle: Nagolds derzeit größte Baugrube auf dem Anker-Areal ist in vieler Hinsicht eine Herausforderung für die Fachleute

Das "imposante Loch", wie ein Passant die riesige Grube auf dem Anker-Areal in der Stadtmitte nennt, ist nicht nur eine der derzeit größten, sondern auch komplexesten Baustellen in Nagold. Architekt Hans-Peter Bonasera (55) weiß ein Lied davon zu singen.

Nagold. 80 Meter lang, bis zu 35 Meter breit und mehr als acht Meter tief: Das sind die nackten Zahlen dieser lehmigen, vom – für Nagold so typischen – roten Sandstein gefärbten Grube. Aber der Teufel steckt im Detail. Draußen auf der grünen Wiese wäre der Aufwand für diesen Bau bei Weitem geringer gewesen, weil eine schräge Böschung zur Absicherung der Baugrube gereicht hätte.

700 Lkw-Ladungen abtransportiert

So aber bohren die Bauarbeiter mit großem Gerät schon seit Wochen bis zu acht Meter tiefe zylinderförmige Löcher mit 60 Zentimeter Durchmesser in den Boden, die mit Stahl versehen und Beton ausgegossen werden. Der Fachmann spricht hier von Betonpfahlverbau. 60 dieser gigantischen Pfähle, verbunden mit Wänden aus Spritzbeton, sorgen dafür, dass die Baugrube zu den Nachbargebäuden hin hält. "Wochenlang wird in die Tiefe gegraben, bis der Beton fließt. Das macht das Bauen teuer", sagt Bonasera.

Rund 11 000 Kubikmeter Erde, also runde 700 Lkw-Ladungen, sind in den vergangenen zwei Monaten ausgebaggert und abtransportiert worden. Rein logistisch war dies schon eine Herausforderung, um dem Busverkehr auf dem Busbahnhof nebenan nicht zu behindern, sagt Bonasera, der gemeinsam mit Schwille Architekten aus Reutlingen das H & M-Gebäude entworfen und vor Ort die Bauaufsicht inne hat. Schon beim Bau des ibis Styles-Hotels in unmittelbarer Nachbarschaft hatte sich diese Zusammenarbeit der beiden Architekturbüros bewährt.

Derzeit haben aber weniger die Architekten auf der Baustelle das Sagen, sondern die Geologen und Tragwerksplaner. Zum einen, weil überall aus dem Buntsandstein Wasser in die Baugrube eindringt. Würden die Pumpen abgestellt werden, die dieses Wasser über fünf Schächte nach oben befördern, würde aus der Anker-Grube im Nu ein See entstehen. Im Landratsamt hat man zudem ein wachsames Auge drauf, dass die wasserrechtlichen Anordnungen auch eingehalten werden. So muss das lehmig-braune Wasser zuerst in ein Absetzbecken geleitet werden – unscheinbare blaue Container, in denen die festen Stoffe zu Boden sinken. Denn in die Waldach eingeleitet werden darf nur klares Wasser.

Im Grundwasser – die Waldach fließt nebenan mehrere Meter oberhalb der untersten Bausohle – lauert eine noch größere Gefahr, die beim legendären Schürmann-Bau in Bonn für Negativ-Schlagzeilen sorgte: So ein Bau, wenngleich Tausende Tonnen schwer, kann "theoretisch davonschwimmen", weiß Bonasera. Der Druck des Wasser lässt das Gebäude leicht anheben. Und schon ein paar Zentimeter reichen – und aus dem Vorzeige- wird ein Sanierungsprojekt.

Deswegen wird das Fundament mit wasserundurchlässigem Beton und noch mehr Stahlarmierung gebaut. Die Bodenplatte und auch die Wände werden stärker dimensioniert. Zudem werden derzeit neue Löcher gebohrt – diesmal für die Zuganker. Einfach ausgedrückt sind dies gigantische Dübel, die den gesamten Bau im Boden verankern.

Auch die ersten Einzelfundamente stehen bereits. Auf ihnen ruht eines Tages die Hauptlast des siebenstöckigen Gebäudes. Eigens für die aufwendige Luft-Wärmetechnik vom H & M wurde ein zweites, vier Meter tiefes Kellergeschoss errichtet mit 1400 Kubikmeter umbautem Raum. Zum Vergleich: ein normales Einfamilienhaus hat etwa 1000 Kubikmeter.

"Jeden Tag geht’s immer nur runter und runter"

Im ersten Untergeschoss, dessen Bausohle sich heute ebenfalls deutlich abzeichnet, wird neben der Verkaufsfläche (die sich im EG und im Obergeschoss fortsetzt) auch ein kleines Parkhaus mit 21 privaten Stellplätzen für die Wohnungsbesitzer entstehen. H&M-Kunden sollen derweil auf die städtischen Parkhäuser zurückgreifen.

Hans-Peter Bonasera schaut zufrieden auf eine der größten Baustellen in seiner Architektenlaufbahn: "Im Großen und Ganzen sind wir im Zeitplan." Im Hochbau ließe sich verlorene Zeit ohnedies besser aufholen als im Tiefbau, weil die Unwägbarkeiten im Hochbau bei Weitem nicht so gravierend sind.

Sechs Wochen werden noch ins Land gehen, bis alle Bodenplatten fertig sind: "Das ist wie ein Meilenstein. Dann kommen die Wände und Decken – dann geht’s flott nach oben."

Insofern geht’s ihm genauso wie den vielen Passanten, die dieser Tage neugierig am Bauzaun in die Tiefe schauen: "Das ist ein psychologischer Effekt: Jeden Tag geht’s immer nur runter und runter. Irgendwann wünscht man sich sehnsüchtig, dass es endlich mal nach oben geht." Ende des Jahres soll der Rohbau übrigens fertig sein.

Hier die wichtigsten Fakten zur H & M-Baustelle auf dem Anker-Areal:

  Baukosten: 15 Millionen Euro

 Grundstücksgröße: 1838 Quadratmeter

  Verkaufsfläche H&M: rund 1 500 Quadratmeter

  Wohnfläche insgesamt: rund 1 600 Quadratmeter

  Anzahl der Wohnungen: je nach Aufteilung maximal 16

 Umbauter Raum: rund 25 000 Kubikmeter

  Höhe der drei Einzelbaukörper: zwischen 12,5 und 18,5 Meter.

  Geplante H & M-Eröffnung: Mitte 2018