Was ist noch übrig von der alten grünen Politik? Andreas Klaue war in der Alten Seminarturnhalle mit seinem anspruchsvollen Programm "Alle Macht für Niemand" zu Gast. Foto: Trommer Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Schauspieler Andreas Klaue analysiert in der Seminarturnhalle die Grünen

Von Dorothee Trommer

Nagold. Die Grünen sind jetzt endgültig im Reich der arrivierten Politiker angekommen, wie Andreas Klaue mit einer satirischen und messerscharfen Analyse in der Seminarturnhalle aufzeigte.

Der Schauspieler ist in Nagold kein Unbekannter. Er unterstützt die Theatergruppe "Vorhang auf" bei ihrer Arbeit, ist deren "heißer Draht zur Schauspielerei", und dazu bei deren Workshops dabei.

Das Bühnenbild gab einen Vorgeschmack auf das zu Erwartende. Ein Plakat der Grünen war zu sehen, ein alter Schrank und ein Koffer voller Aufkleber. "Atomkraft, nein Danke", "Yin und Yang", aber auch das nicht eindeutig politisch zuordenbare "Ich bin wichtig", das sich im Grunde manche Vertreter jeder politischen Couleur aufkleben könnten.

Dass hier ein Schauspieler und nicht ein Comedian oder Kabarettist auftrat, wurde schnell klar. Schon kurz nach Beginn erfolgte ein Kostümwechsel: Da schwelgte der grüne Spitzenpolitiker Norbert Immanuel Mant auf dem Dachboden in seinen Erinnerungen an die vergangenen "wilden Zeiten". Wie zum Beispiel bei den Anti-Atomkraft-Demos. Um stilecht zu seinen Rundumschlägen auszuholen, hatte Andreas Klaue sich in seine alte, geradezu museumswürdige, Lederhose gezwängt. An dieser hatte auch schon Petra Kelly gehangen. Er sei froh gewesen, sie wieder los zu haben, so wie die Grünen allgemein. Kelly war laut Polizeibericht 1992 von ihrem Lebensgefährten Gert Bastian erschossen worden. Deutlich wurde: Mit Klaue werden die schwierigen Themen nicht vorsichtig umgangen – sondern angesteuert.

Auch mit Jutta Ditfurth, bis 1991 eine wichtige Figur bei den Grünen, geht er ins Gericht. Für den grünen Politiker, den Klaue mimt, ist sie ein rotes Tuch. Für 1000 Jahre Frauenunterdrückung, deren Aufarbeitung Ditfurth betreibt, müssten nun ausgerechnet die Männer seiner Generation büßen. Lieber ist ihm da schon die schöne Uschi Obermaier, welche als Leitfigur der emanzipierten Frau leider bald von Alice Schwarzer abgelöst worden sei.

Auch an so dubiose Personen wie Baldur Springmann, ein Gründungsmitglied der Grünen, das gleichzeitig dem rechtsextremen Spektrum mit völkischem Hintergrund zugerechnet werden kann, wurde im Laufe des Abends erinnert. Springmann trat bei den Grünen nach sechs Monaten wieder aus.

Die Inhalte seien bei den Grünen mittlerweile Nebensache geworden, so war von der Bühne zu hören. Eine Person, die "was hermache", Sahra Wagenknecht mit ihrer seriösen Erotik beispielsweise, könne er sich an der Spitze gut vorstellen, fantasiert Klaue in der Figur des N.I.Mant. Kretschmann sei eigentlich wie Merkel – "was sagt der eigentlich genau?"

"Keine Macht für Niemand", war auch der Titel einer Platte (1972) der Politrocker "Ton Steine Scherben". Dieses Wissen wird vorausgesetzt, um das Bühnenstück zu verstehen. War aber bei dem leider nicht großen Publikum wohl eher nicht vorhanden. Auch andere Anspielungen waren nur verständlich, wenn man entweder in den 1970er-Jahren erwachsen geworden ist oder sich eindringlich mit dieser Zeit befasst hat.

Nach einigen Seitenhieben auf Joschka Fischer, der sich in sein früheres Feindbild verwandelt habe, stichelte er gegen Sozialpädagogen, die einen Stuhlkreis sogar mental im Auto hinbekämen und bei deren eiskalten Blicken einem das Lachen im Halse steckenbleibe. Anrufe einer gedachten "nervenden Ehefrau" bildeten die Vorlage für Witze, die politisch nicht immer ganz korrekt, in einigen Fällen gar sexistisch waren. Es folgte der Moment der Offenbarung: Sich die Hose vom Leib reißend präsentierte Norbert Immanuel Mant sich machthungrig als der zukünftige erste Mann im Staat: "Alle Macht für N.I.Mant", eben!