Mit ihrem Akkordeon spielte Revital Herzog auch orientalische Melodien. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Humorvolle Musikerin beendet den Mindersbacher Kultur-Winter

Von Maria Kosowska-Németh

Nagold. Im Rahmen des Mindersbacher Kultur-Winters gastierte Revital Herzog im Bürgersaal – eine ungewöhnliche Frau von einzigartiger Ausstrahlung, Überzeugungskraft und Humor. Der Bürgerhaussaal war prall gefüllt, die Gäste genossen in vollen Zügen die Begegnung mit der nahöstlichen Exotik.

Begegnung. Das richtige Wort für den vielleicht ersten Kontakt mit einer anderen Kultur, ihrer Traditionen, Weltanschauung, eine gute Bezeichnung für eine Konfrontation mit der Denkweise eines Fremden. Oft führt der Weg der Annäherung über Musik, dieses universelle Verständigungsmittel.

Wortlos fängt der Abend an, Herzog spinnt auf ihrem kleinen Akkordeon eine traurige, orientalische Melodie, die bald in einen heiteren jüdischen Tanz übergeht. Aus dem Gesichtsausdruck der zierlichen Frau kann man ablesen, dass sie gerade in ihre eigene Welt, in ihre Erinnerungen und Sehnsüchte entschwebt. Dann begrüßt sie ihre Gäste mit einer einnehmenden Natürlichkeit auf Hebräisch. Später wird sie noch viele Weisen aus dem Orient und Balkan spielen.

Mit dem Akkordeon hatte sich Herzog noch im Kindesalter in Israel angefreundet. Ihre Großeltern stammten aus Irak und Persien, die Eltern lernten sich in den 30er-Jahren im palästinischen Kibbuz kennen, wo sie Zuflucht vor den Verfolgungen in Kroatien gefunden hatten. Das kleine, weltoffene jüdische Mädchen mit dem damals ultramodernen, blumig-orientalisch klingendem Vornamen Revital (bedeutet: Trinke dich satt mit dem Morgentau) hatte viele arabische Freunde, auch unter Beduinen in der Sinai-Wüste. In dieser Gegend wurde sie viele Jahre später, 1995, nach dem Besuch bei einer befreundeten Familie von der ägyptischen Polizei unter Spionageverdacht beinahe verhaftet. Nachdem sie sich auf gemeinsame historische und religiöse Wurzeln der Araber und Juden berufen hatte, wurde sie mit allen Ehren entlassen.

Viele Beispiele der zwischenmenschlichen Konflikte und Vorurteile, Versöhnungen und Sympathien führte Herzog, die seit 1984 als "eine Israeli in Deutschland" lebt, vor den Augen der stillen Zuhörer an. Stolz auf ihre Herkunft, auf ihren Großvater, den in Tel-Aviv bekannten Märchenerzähler, schuf sie an diesem Nachmittag ein Klima wie aus 1001 Nacht. In ihre bildhafte, mit schelmischer Mimik und suggestiver Gestik vorgetragenen Erzählungen, Märchen und Gleichnisse, warf sie vergnüglich jüdische oder gar jiddische Worte ein, das Arabische klang aus ihrem Munde wie eine Taubengurgel. Neben der Erklärung unbekannter Ausdrücke betrachtete die Erzählkünstlerin näher auch das Wesen des arabischen und jüdischen Witzes, entführte die Gäste in die Welt der Rabbis und Chassiden, in der sich die Menschen gerne über sich selbst lustig machen.

Für Furore und ungehemmte Lachsalven sorgte unter anderen folgende Anekdote: "A jiddische Mame", (ein Synonym für überfürsorgliche Mutter) führt ihre Zwillinge im Kinderwagen spazieren. Ein Passant bewundert die gelungene Nachkommenschaft, darauf die Mutter: "Der rechts ist ein Arzt, der links Rechtsanwalt."

In Herzogs Monologen mischte sich neben Humor und Nostalgie ("Die Zeiten des kleinen Tel-Avivs sind vorbei") aber auch Verbitterung über die Politik im Nahen Osten, welche das friedliche Zusammenleben zwischen den Nachbarn lahmlegt. Herzog führt aber keinen Kampf, keinen Propagandafeldzug – auf ihre subtile Weise plädiert sie jedoch für Frieden und mehr Freundlichkeit füreinander. Dieser Wunsch geht über die Märchenwelt hinaus.