Unter der Leitung von Pavel Baleff schafften es die Musiker der Philharmonie Baden-Baden die Zuhörer mit ihren Klängen mitzureißen. Foto: Maria Kosowska-Németh

Mit der ganzen klanglichen Macht und Schönheit. "Reformationskonzert" des Baden-Badener Orchesters.

Nagold - Das Gedenkjahr der Reformation wirkt sich auch auf ökumenische Bemühungen der christlichen Kirchen und auf das öffentliche Leben aus. Zum Beispiel bei kulturellen Ereignissen.

Auf den lang gehegten, innigen Wunsch von Kirchenmusikdirektor Peter Ammer hin wurde der Aufführungsort des "Reformationskonzerts" aus der Stadthalle in die Stadtkirche verlegt. Somit bekam die Philharmonie Baden-Baden einen überaus würdigen Rahmen für ihren Auftritt.

Kirchenhistoriker Heinz Detlef Stäps spricht über die Ökumene

Das Konzert war eine große ökumenische Zusammenkunft von Menschen. Der eingeladene Domkapitular vom Bischöflichen Ordinariat Rottenburg am Neckar Heinz Detlef Stäps teilte seine Gedanken zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation mit den zahlreich erschienenen "Schwestern und Brüdern" und mit "fantastischem Orchester im Rücken".

In wenigen Worten sprach der Kirchenhistoriker die wichtigsten Punkte der Ökumene an, stellte eine "spürbare Erwärmung der Beziehungen" zwischen christlichen Konfessionen fest, nannte ihre Annäherungsversuche als "alles andere als selbstverständlich", bezeichnete Christus als zentrale und gemeinsame Figur für alle christlichen Gläubigen und rief zu verstärktem Engagement für alle hilfsbedürftigen "Vergessenen" auf. Viel Aufmerksamkeit widmete Stäps dem wichtigsten Programmpunkt, der Reformationssinfonie und ihrem Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Das Konzertprogramm bildeten ausschließlich romantische Kompositionen. Bereits in der Konzertouvertüre c-Moll von Ludwig Schuncke (dem mit 23 Jahren verstorbenen Freund von Robert Schumann und Hector Berlioz, Altersgenossen von Mendelssohn) zeichneten sich die klanglichen Qualitätsmerkmale des Orchesters ab. Unter der Leitung von Pavel Baleff entwickelten die Musiker eine derart imposante, reiche Farbentracht und eine raffiniert breite Skala der Dynamik, dass sich die Zuhörer von der Fülle der Emotionen mitreißen ließen und die musikalische Leistung gebührend würdigten.

Yasushi Ideue als technisch versierter Interpret

Mit dem Violinkonzert d-Moll vom polnischen Virtuosen Henryk Wieniawski führte der Baden-Badener Konzertmeister Yasushi Ideue ein Beispiel des romantischen Solokonzerts auf. Schon in dem ersten Satz fand der Geiger eine richtige Balance zwischen Kantilenen und technischen Herausforderungen wie meisterhaftes Staccato oder waghalsige Doppelgriffe. Auch die mittlere Romanze mit goldrichtig gesetzten Höhepunkten wirkte natürlich und nicht versüßt, dank des kräftig-lieblichen Tons und einfühlsamem Vibrato. Ideue erwies sich somit als ein reifer und sehr sensibler, technisch versierter Interpret. Im Finalsatz fiel stellenweise die kurzatmige Orchesterbegleitung auf, was aber das Publikum nicht zurückhielt, dem Solisten zu recht frenetisch zu applaudieren und ihn mehrmals auf die Bühne zu holen.

In der Reformationssinfonie huldigte das Orchester mit seiner ganzen klanglichen Macht und Schönheit Mendelssohn und seinem geistigen Vater Johann Sebastian Bach. Baleff steuerte den Klangkörper wirksam aber nicht aufdringlich und holte aus jeder Musikphrase die Beweise der "persönlichen Tiefe des Komponisten" (Stäps) heraus. Dieser interpretatorischen Linie folgend bauten die Musiker eine hochdramatische Spannungskraft im 1. Satz auf, füllten das Scherzo mit heiterer Lebendigkeit und berührten die Herzen mit der Traurigkeit des "Andante".

In der erhabenen Stimmung des letzten Satzes mit dem Lutherschen Choral "Eine feste Burg ist unser Gott" fand die Sinfonie ihren Höhepunkt und auch das Orchester stieß an seine emotionalen Grenzen. Kein Wunder, dass die Zuhörer nach dem letzten Akkord in völliger Stille innehielten und die magische Wirkung verlängerten.

Außer langem, frenetischem Beifall hätten die Philharmoniker diesmal eine stehende Würdigung verdient. Die gab es aber nicht.