Dirigentin Judith Kubitz ist keine Freundin der moderaten Ausdruckstärke. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei dem ausverkauften Konzert des beliebten Orchesters mussten Gäste wieder heimgeschickt werden

Von Maria Kosowska-Németh

Nagold. Das jüngste Symphoniekonzert erfreute sich eines außergewöhnlichen Besucherzuspruchs. Die Eintrittskarten waren bereits im Vorverkauf vergriffen, sodass die Abendkasse über nur noch zwei freie Sitzplätze verfügte. "Ausverkauft" – diese böse Überraschung erlebten mehrere Musikliebhaber, und wer keine Karte besaß, durfte wegen der strengen Versammlungs-Richtlinien nicht einmal im Stehen den Baden-Badener Philharmonikern in der Nagolder Stadthalle zuhören.

Überfüllt war auch der Musiksaal des Otto-Hahn-Gymnasiums, wo Stadtmusikdirektor Florian Hummel anhand von Klangbeispielen und Wissenswertem, die Gäste über die Komponisten auf das bevorstehende Konzert einstimmte.

An diesem Abend erklang ausschließlich Musik der deutschen Romantik, als Solist trat der Pianist Hinrich Alpers mit zwei Klavierwerken, den Variations concertantes über den Schubertschen "Sehnsuchtwalzer" von Ludwig Schuncke und Introduktion und Allegro appassionato von Robert Schumann auf. Alpers spielte sehr persönlich, in sich gekehrt, scheinbar abwesend und doch technisch exzellent. Wenig bedacht auf äußerliche Effekte, zeichnete der Pianist mit illustrativ-filigraner Poetik des delikaten Anschlags, perlender Leichtigkeit und schlichter Eleganz das erschütternd authentische Porträt eines schwindsüchtigen, todgeweihten Klavier-Virtuosen. In einer Variation im markanten Polonaise-Rhythmus schallte ein Echo der unverkennbaren Zuneigung von Alpers für Chopin (er starb wie Schunke an Tuberkulose), diese kam in der stimmungsvollen Zugabe ganz deutlich zum Vorschein.

Während im ersten Werk die Klavierstimme deutlich im musikalischen Fokus stand, integrierte sie sich bei Schumann nahtlos in den Orchesterklang, ohne jedoch an atemberaubender Virtuosität zu verlieren. Fast auf den Tag genau 165 Jahre nach der Uraufführung der Introduktion und Allegro appassionato durch Clara Schumann verbreitete die Musik unverändert ihre fesselnde Wirkung, schwankte zwischen nervöser Unruhe und lyrischen Passagen im explosiven Dialog zwischen Orchester und dem mit organischen Nuancen übersäten Klavier.

Die Dirigentin Judith Kubitz versteht ihr hochkünstlerisches Handwerk perfekt, es war nicht zu übersehen, dass die zierliche Frau mit einnehmendem Lächeln eine prägnante musikalische Persönlichkeit darstellt und keine Freundin der moderaten Ausdruckstärke ist. Überaus präzise und doch elegant in runden Bewegungen vermittelte sie ihre musikalischen Wünsche unmissverständlich klar. Trotz eiserner rhythmischer Disziplin wirkten zwei Opernouvertüren von Carl Maria von Weber, "Oberon" und "Freischütz" keinesfalls eingezwängt durch metronomgenaue Tempi. Im Gegenteil, der Kontrast zwischen lyrischen, frei interpretierten und dramatischen, kontrollierten Aussagen verstärkte die Expressivität der künstlerischen Gestaltung.

Den eindrucksvollen Abend beendete die Philharmonie Baden-Baden mit der "Unvollendeten" Symphonie h-moll von Franz Schubert. Im wahrhaftigen Höhenflug imponierte das gesamte Orchester mit guter Intonation, raffinierter Dynamik und gefühlsbetonten Bläser-Soli.

Obwohl die Kapellmeisterin Kubitz unter frenetischem Applaus mehrmals auf die Bühne zurückgerufen wurde, boten die Philharmoniker keine Zugabe an.