"Les Chambord"-Frontmann "Monsieur 10000 Volt" Serge Ebersoldt brachte im weißen Show-Jacket und schwarz-weißen Lackschuhen die Kutscherstube in der Alten Post zum Kochen. Foto: Kunert

Partylöwen können's kaum erwarten: In manchen Locations ist kein Reinkommen mehr möglich.

Nagold - Die Nagolder Partylöwen scheinen ein ungeduldiges Volk zu sein. Zumindest konnten viele am Samstag wohl den Beginn der diesjährigen Ausgabe der Kneipen-Nacht nicht abwarten. Und füllten bereits lange vor offiziellem Start des Konzert-Events die Reihen vor den beteiligten Bartresen der Stadt.

Zum Beispiel im Stadtcafé COC, das aber nun auch nicht so die typische Kneipen-Location ist. Das Wetter war besser als erwartet, die Temperaturen lau. Da verlängerten einige Gäste doch das Sitzen draußen im Lounge-Bereich auf dem Vorstadtplatz vom Nachmittags-Kaffee bis lange nach Sonnenuntergang. Drinnen gab es aber trotzdem erst ab 21 Uhr Live-Musik vom "InTeam": Akustik-Rock und Pop-Cover vor allem aus den unvergessenen 80er-Jahren. Und ab 22 Uhr war kaum mehr ein Reinkommen, was aber kein Problem darstellte. Denn auch draußen kam die Musik gut an. Und die Atmosphäre war hier lange nicht so schweißtreibend.

Ein ähnliches Bild vor dem Zwickel, der nun wirklich typischsten Kneipe "in town" – - mit viel dunklem Holz, Raucherlaubnis und dem wohl treuesten Publikum der Welt. Seit 22 Jahren ist das Zwickel der "Traum" von Kneipen-Wirt Dirk Müller, der sich als gelernter Schreiner "nicht sattsehen kann" an seiner Wirtshaus-Augenweide. Und weil Müller Wirt mit Leidenschaft und Passion ist, hat er an diesem Abend die mit Abstand größte Band in seinen Gastraum gezwängt: "Bluesblaster Seven" heißen so, weil sie eben vor allem kräftigen, erdigen Blues spielen; und weil die Formation aus insgesamt stolzen sieben Musikern besteht.

Schlagzeuger Klaus Wielinski hat früher bei der Stadt Nagold geschafft, so entstand schon vor Jahren der Kontakt zum Zwickel. Im Zwickel sind "Bluesblaster Seven" schon zum dritten Mal zu Gast, entwickeln sich also langsam zur Stamm-Band des Hauses. Entsprechend groß der Andrang bereits auf der Straße vor dem Zwickel – nicht jeder, der wollte, konnte sich wirklich Einlass in die Reihen des wirklich irrsinnig dicht gedrängt stehenden Publikums verschaffen.

Letzte Chance für jene, die bei Dirk Müller ein Stein im Brett hatten: Es gab da noch den Schleichweg über die "mobile Sommerterrasse" des Zwickel hinterm Haus, über die man hinter den Tresen und unmittelbar vor die Band kam. Da zahlte sich aus, dass es immer – immer! – so einen virtuellen Fluchtgraben zwischen Band und Publikum von ein, zwei Metern bei solchen Kneipen-Konzerten gibt. Genau da fand man dann doch noch ein Platz im Zwickel, um dem aufregendsten Konzert der Kneipen-Nacht zu folgen.

Auch in der Alten Post, in den Räumen der alten Kutscherstube im Erdgeschoss, gab es zwischen den verdammt heißen Vintage-Rock’n’Rollern "Les Chambords" und ihrem sichtlich aufgekratzten Zuhörern diesen sich irgendwie ganz natürlich entwickelnden Zwangs-Abstand, der wohl die fehlende Bühnendistanz ersetzen soll. Aber Frontmann "Monsieur 10000 Volt" Serge Ebersoldt, im weißen Show-Jacket und schwarz-weißen Lackschuhen, brauchte an seinem RCA-Radiostation-Mikrophon diesen Bannbereich auch irgendwie für seine Performance. Quasi sein Aktionsradius, um den kleinen Saal und die auch hier dicht stehenden Zuschauermassen zum Kochen zu bringen – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Innentemperatur stieg auf gefühlte 40 Grad, die Atmosphäre dampfte förmlich. Nur gut, dass Maitre Ralf Zierner und seine Leute reichlich kühle Erdbeerbowle bereitgestellt hatten. Genau das richtige für diese prickelnd-heiße 50er-Jahre-Pettycoat-Party.