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Schietingens Ortsvorsteher Thomas Reimer und sein Vor-Vorgänger Fritz Gutekunst haben viel zu erzählen

Die glockhellen Hammerschläge auf dem Amboss sind schon längst verstummt, das Feuer in der Esse erloschen. Aber wenn der Schietinger Fritz Gutekunst zu erzählen beginnt, wird die alte Dorfschmiede wieder lebendig.

Nagold-Schietingen. Es sind Bilder, als ob es gestern gewesen wäre. Der 87-jährige frühere Ortsvorsteher erinnert sich genau an den riesigen Sandschleifstein, der am Eck des kleinen Häuschens angebracht war und per Kurbel von drei Mann in Gang gesetzt wurde. Beim großen Hochwasser anno 1847, so erzählte ihm später ein alter Mann, hatten die tosenden Fluten den Stein wie von Geisterhand angetrieben: "Wie wild isch der Schleifstein g’laufa."

Fritz Gutekunst ist einer der letzten Schietinger Zeitzeugen aus der vermeintlich guten alten Zeit, in der die Menschen auch im Nordschwarzwald ein bescheidenes, ärmliches Leben führten. So wie der letzte Schietinger Schmiedemeister Wilhelm Luz, dem es wie anderen Berufskollegen erging, als die alten Leiterwagen und Holzkutschen mit ihren eisenbeschlagenen Rädern ausgedient hatten. Er musste seine Schmiede dicht machen, die in dem kleinen windschiefen Häuschen in der Quellenstraße schräg vis-à-vis vom alten Rathaus im Jahr 1884 von August Luz erbaut worden war.

Der Vorgängerbau war – bezeichnend für dieses Gewerbe, das ohne Feuer nicht betrieben werden kann – abgebrannt. Auf den alten Mauern entstand die Schmiede neu, etwas größer, aber immer noch mit bescheidenen Ausmaßen. Ihr Wohnhaus hatten die Schmiedemeister, so erinnert sich Fritz Gutekunst, am unteren Ortsende und an der Kirchhalde.

Er kann noch jedes Utensil, jedes Werkzeug, das einst Wilhelm Luz in Händen hielt, seiner alten Bestimmung zuordnen. Wie die Bohrmaschine mit Handkurbel und dem mit Brettern bedeckten Loch, wo man die Wagenräder reinstellte. Oder die riesige Zange, die oben im Eck hängt – eine Klauenzange für die Kühe. Pferde gab’s in Schietingen ohnedies wenig. "Es gab vielleicht zehn Gäule, dr’ Rest waren Kuhbauern". Davon zeugen die klein anmutenden Hufeisen, die sich in einer Holztruhe türmen – damit wurden die Kühe beschlagen.

Sohn Wilhelm Gutekunst (56) weiß, was es mit der eisernen Wippe samt Ring auf sich hat. Schwaben nennen’s "Schloapftrog." Damit wurden früher die Wagenräder geschützt, wenn der Bauer den "Miggabiegel" reinschlug und damit auf die Bremse trat. Damit das gesperrte Rad, das dann auf dem Boden schleifte, nicht abgenutzt wurde, schnallte man mit Ketten diesen Radschuh unter. Und das Exemplar im Schietinger Museum bezeugt schwäbische Tugenden. Weggeschmissen wurde damals nichts. Wenn der "Schloapftrog" selbst von dem vielen Bremsen abgenutzt war, wurde er vom Schmied – wie ein Schuh – neu besohlt.

Der heutige Ortsvorsteher Thomas Reimer steht daneben und räsoniert: "Schade, dass dieses Wissen nicht weitergegeben wird." Oder so Sprüche, die für Schietingen so typisch sind: "Do hot mei Vadder gmiggad, do migg i au – ond wenn’s dr Berg nuff goht."

Fritz Gutekunst war damals, als das Museum zur 900-Jahr-Feier der Stadt Nagold eingeweiht wurde, selbst aktiv geworden, weil er zwei Botschaften aus der Kernstadt erhielt: "Des müsst Ihr selber macha" und "Mir hend kei Geld". Das Holzschild "Dorfschmiede" stammt genauso aus seiner Werkstatt wie der Amboss samt Hammer neben der Eingangstür.

Aber seither ist es ruhig geworden um das Kleinod. Nur noch zu Schauzwecken, beim Sommerferienprogramm oder beim Weihnachtsmarkt öffnete sich die schwere Holztür. Das will der Ortschaftsrat nun ändern. "Wir wollen das Museum wieder aus seinem Dornröschenschlag holen", sagt Reimer. Man will dem Häuschen wieder seine elektrische Beleuchtung zurückgeben, das man ihm 1986 genommen hatte, es restaurieren und dann wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das größte Problem indes ist, jemanden zu finden, der sich diesem Museum mit Leidenschaft annimmt und es Besuchergruppen auch fachmännisch erläutern kann. Noch sei man nicht fündig geworden, sagt Reimer. Aber er gibt die Hoffnung nicht auf.

Schließlich sind auch die beiden anderen Projekte, die viel mit Heimatgeschichte zu tun haben, schräg gegenüber von der alten Schmiede mit tatkräftiger Hilfe seiner Schietinger gelungen: die Renovierung des unteren Backhauses, in dem ein kleiner schmucker Bürgersaal entstand, samt der daneben stehenden alten Waage. Und wenn dann der alte Ortsvorsteher Fritz Gutekunst auch hier zu erzählen beginnt, hört man begierig zu – ob soviel schwäbischer Knitzheit und einem faszinierenden Erinnerungsvermögen des 87-Jährigen, der das alte Dorfleben mit all den Originalen, die diese Zeit hervorbrachte, in allen Facetten wieder lebendig macht.

"Ich könnt’ an Roman schreiba", sagt er und lacht, "aber no dürft’ i mi nemma seha lassa in Schietinga".