Foto: Planungsbüro

Klaus Schnepf baut in Nagolds Stadtmitte autarkes Sechs-Familienhaus. Gebäude wird mittels Geothermie klimatisiert.

Nagold - Wenn Klaus Schnepf etwas anpackt, will er Geschichte schreiben. Das war bei seinem Geschäftsneubau für sein international tätiges Ingenieurbüro auf dem Wolfsburg so. Und soll auch beim Bau eines Sechs-Familienhauses an der Nagolder Uferstraße so sein.

Die Idee jetzt: Ein Energie-autarkes Wohngebäude mitten in der Stadt – ganz im Sinne der jüngsten Beschlüsse des Klima-Gipfels von Paris zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Schnepfs Konzept "einer hochwertigen und zeitgemäßen Gebäudetechnik für urbanes Wohnen in der Stadt – ganz im Sinne der urbanen Landesgartenschau in Nagold": Eine Klimatisierung des Gebäudes mittels Geothermie, wobei die notwendigen Bohrungen – einmalig in Baden-Württemberg – bis zu einer maximalen Tiefe von 238 Metern geführt wurden. Normal sind Bohrungen knapp über 100 Meter. Der Vorteil der extremen Tiefe: "Ich brauche nur zwei statt der sonst notwendigen acht Tiefenbohrungen", erklärt der Bauherr. Womit dieses effiziente System sich nun auch für kleinere Grundstücke in gewachsenen Innenstadtlagen sehr gut eigne.

238 Meter Bohrtiefe für die Geothermie sind einmalig im Land

Für Klaus Schnepf soll das Gebäude an der Uferstraße eine echte "energieeffiziente Visitenkarte" werden. Obwohl er sonst mit seinem Planungsbüro solche Aufgabenstellungen vor allem für große industrielle Anlagen überall auf der Welt löst – vom Flughafen bis zur Pharma-Fabrik. Aber das neue Wohnhaus mitten in Nagold am Waldachufer soll auch mal Schnepfs privater Altersruhesitz werden, erläutert der 67-Jährige. Das Penthouse habe er für seine Frau und sich reserviert. Derzeit wohne er privat noch in Haiterbach, aber ihm gefalle Nagold – nicht nur für seinen Firmensitz. "Ich will echter Nagolder werden", schmunzelt Schnepf.

Und daher hat er die ganzen Ressourcen seines Unternehmens mobilisiert, um auch mit diesem privaten Wohnbauprojekt Richtungsweisendes zu realisieren. Da am gewählten Standort keine kritischen geologischen Formationen vorlagen, konnte tiefer gebohrt werden als sonst. Die zu erwartenden Temperaturen in 238 Metern Tiefe sind bei etwa 17 Grad Celsius. Somit seien Leistungszahlen mit den gewählten, besonders umweltfreundlichen Sole-Wasser-Wärmepumpen von über "6" erreichbar. Das bedeutet: Aus einer Kilowattstunde Strom (für die Wärmepumpe) werden sechs Kilowattstunden an Wärme. Dank modernster Bohrtechnik konnten die beiden Bohrungen noch rechtzeitig vor Weihnachten in nur einer Woche abgeschlossen werden.

Der durchbohrte Buntsandstein, wie er in Nagold vorkommt, sei zudem ein thermisch hervorragender Untergrund mit hoher Wärmeleitfähigkeit, bedingt durch eine hohe Grundwasserführung. Daher konnte auch die Erdwärmesondenanlage sehr kompakt und kostengünstig gestaltet werden.

Überschüssige Wärme wird im Sommer an den Untergrund abgegeben

Ein weiterer Vorteil: Was im Winter wärmt, sorgt im Sommer für Kühle – wenn überschüssige Wärme über dasselbe System zurück an den Untergrund abgegeben wird. Was die Energiebilanz des Untergrundes zusätzlich regeneriert. Auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sei ein Wärmeentzug aus dem Untergrund mittels Erdwärmenutzung sehr positiv zu sehen. Größere Städte erwärmten üblicherweise das unter ihnen befindliche Grundwasser. Mithilfe von Erdwärmenutzung könne dem entgegen gewirkt werden.

Zur echten Energie-Autarkie fehlt dann nur noch eine eigene Stromerzeugung – die Schnepf mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach sicherstellen will. Der Clou hier: Modernste Speichertechnik, die überschüssigen Strom am Tag für die Nutzung in der Nacht verfügbar machen soll. Wobei Schnepf dabei auf einen Präzedenzfall im deutschen Energierecht hofft: Derzeit ist es noch so, dass selbst erzeugter Strom ins öffentliche Stromnetz abgegeben werden muss – aus dem man dann seinen eigenen Strom zurückkauft. "Dass das auf Dauer nicht sinnvoll und marktgerecht sein kann, leuchtet wohl jeden ein", hofft Schnepf auf ein Umdenken insgesamt im Markt.

Photovoltaik-Anlage auf dem Dach soll eigene Stromerzeugung sichern

Bis Weihnachten 2016 will Schnepf in sein neues privates Domizil eingezogen sein. Die anderen fünf Wohnungen will er vermieten – wobei er bereits eine "sehr lange" Interessentenliste habe. Denn auch sonst werde das Haus manches architektonische und planerische Highlight bieten – wie etwa einen gläsernen Aufzug: "Ich saß selbst mal für einige Stunden in einem Aufzug fest. Ich weiß, wie klaustrophob so ein kleiner, geschlossener und fensterloser Raum sein kann." In acht bis zehn Jahren sollen sich die höheren Anfangsinvestitionen für die moderne Energietechnik durch eingesparte Energiekosten amortisiert haben. Womit sich dann auch bewahrheite, dass Umwelt- und Klimaschutz sich absolut rechnen könne.