Adelheid Kramer ist nach 27 Jahren mehr denn je Kopf, Herz und Seele der Sommermusik im Oberen Nagoldtal. Fotos: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Adelheid Kramer ist nach wie vor Kopf und Seele der von ihr vor 27 Jahren mitbegründeten Sommermusik

Von Martin Bernklau Nagold. Frauen sollen das ja sowieso viel besser können: Multi-Tasking, also viele verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen. Und wenn solche Wirbelwinde dabei den Überblick, die aufmerksame Grundruhe und die freundliche Gelassenheit behalten wie Adelheid Kramer – umso besser. Vor 27 Jahren hat die Pädagogin das Meisterkurs-Festival gemeinsam mit dem Salzburger Violin-Professor Helmut Zehetmair und dessen damaliger Frau, der Bratschistin Erika Zehetmair, als Altensteiger Sommermusik gegründet. Heute ist sie mit all ihrer Erfahrung, ihren Verbindungen und ihrem Charme mehr denn je Kopf, Herz und Seele der Sommermusik im Oberen Nagoldtal.

In ihrem kleinen Büro gleich links vom Eingang des repräsentativen, aber eigentlich nur schlichten und praktischen ehemaligen Nagolder Aufbaugymnasiums laufen alle Fäden zusammen. Dort finden die 95 hochbegabten Teilnehmer an den Musikkursen ein ebenso offenes Ohr und tatkräftige Organisation wie die vielen renommierten Dozenten oder die mitgereisten Eltern der Kinder und Jugendlichen aus aller Welt, die Mentoren und Betreuer oder die neugierigen Gäste des offenen Lehr- und Lerntreffens aus dem Nagoldtal und der Region – Lehrer wie Schüler. Manchmal nimmt Adelheid Kramer ihre kleinen Schützlinge auch einfach tröstend in den Arm, wenn sie Rat, Zuspruch oder Hilfe brauchen.

Da meldet sich die 15-jährige Cellistin Maria Well für das Orchesterkonzert am Abend ab. Sie hat Sehnen-Probleme an der Griffhand. Der israelisch-amerikanische Violin-Weltstar Vadim Gluzman, für knappe zwei Tage auf Kurzvisite, fragt nach einem Bahnticket. Mit einem Griff hat Adelheid Kramer den vorbereiteten Umschlag aus dem Fach gezogen und bekommt ein dankbares Lächeln erwidert: "Bis später!"

Adelheid Kramer ist als Älteste von Fünfen in einer Backnanger Ingenieurs-Familie aufgewachsen, nicht wohlhabend, aber bürgerlich kultiviert. Der Vater legte großen Wert auf Hausmusik und sah es gar nicht so gerne, dass die fromme Mutter ihre Kinder auch für die Kirchengemeinde musizieren schickte. Sie hätte gern Geige studiert, der Vater aber riet von der "brotlosen Kunst" ab. Ein Lehramts-Studium an der Uni Stuttgart und der PH in Ludwigsburg "öffnete mit trotzdem die Welt und gab den Blick nach draußen frei", sagt sie heute.

Und auch an der Realschule im wohlhabenden Leinfelden-Echterdingen hatte sie "als Generations-68-erin alle Freiheiten". Die Lehrerin für Mathe und Englisch gründete ein ebenauch pädagogisch erfolgreiches Schulorchester. Im Alter von schon 34 Jahren lernte sie nach einer schwierigen Ehe den heutigen Spitzengeiger Thomas Zehetmair kennen, der sie zu einem Violin-Kurs seines Vaters ins Osttiroler Lienz einlud. Die Freundschaft zum weitverzweigten Zehetmair-Clan brachte für Adelheid Kramer nicht nur regelmäßige Aufenthalte, sogar ein WG-Zimmer im Salzburger Haus des Philosophen Robert Spaemann und zahllose Begegnungen mit Spitzenmusikern, sie führte auch zur gemeinsamen Gründung des Altensteiger Musiksommers.

Dessen Erfolg auf dem Christophorus-Campus war nicht denkbar ohne die Förderung des im vergangenen Jahr verstorbenen CJD-Patriarchen Gerhard Sorge und des damaligen Altensteiger Bürgermeisters Ulrich Rommel, der als passionierter Kontrabassist seine anfängliche Skepsis gegenüber dem Projekt schnell überwand. "Was will diese Frau von mir, hat er die Leute gefragt", erinnert sich Adelheid Kramer schmunzelnd. "Ich wollte seriös arbeiten, die jungen Musiker ernst nehmen und ein wohlwollendes Umfeld dafür, auch Sponsoren." Mit Rommels kunstsinnigem Nachfolger Jürgen Großmann klappte es dann so reibungslos, dass der die Zusammenarbeit sozusagen mit ins Oberbürgermeisteramt nach Nagold nahm.

Adelheid Kramer war zwischendurch 1995 aus dem aktiven Schuldienst ins Kultusministerium gewechselt, wo sie ihre Ideen und ihr Organisationstalent als Referentin für Schulsport, Kunst und Musik bis zum vergangenen Jahr auch in zahlreiche Initiativen zwischen Lehrerfortbildung, Oper, Theater und Rundfunk einbrachte.

Der amtierende Kultusminister Andreas Stoch übernahm natürlich die Schirmherrschaft, Ministerialdirektor a.D. Walter Pfohl kam als musikalischer Stadtführer. Bei der Sommermusik Oberes Nagoldtal ist die begnadete Netzwerkerin geradezu allgegenwärtig zwischen Calw, Wildberg und Nagold. Ihre Freude an dieser Arbeit steckt an, die Stars und die musikalischen Kinder oder auch ihren Assistentin Laura Oberscheidt und Lisa Moz, mit denen sie gemeinsam das improvisierte Büro schmeißt.