In einer gemeinsamen Runde in der Nagolder Flüchtlingsunterkunft Haus Waldeck stellte Helga Mühleisen vom Arbeitskreis Asyl (Dritte von links) dem Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (rechts daneben), die Einrichtung vor. Foto: Kunert

Sachsen-Anhalts Innenminister besucht Haus Waldeck in Nagold. "Willkommenskultur" wird von ehrenamtlichen Helfern getragen.

Nagold - Eine kleine Geste am Rande des "kleinen Staatsbesuchs" von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) gestern in der Flüchtlingsunterkunft Haus Waldeck dokumentierte ziemlich gut, warum ausgerechnet hier in Nagold solch eine Vorzeigeeinrichtung existiert.

Als Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann zu der vom hiesigen Landtagsabgeordneten Thomas Blenke (CDU) geführten Delegation stieß, begrüßte er als allererstes Helga Mühleisen, die emsige Galionsfigur des örtlichen Arbeitskreises Asyl, bevor er sich an den mit großer Polizeieskorte angereisten Ehrengast, an Dekan Ralf Albrecht und alle weiteren Offiziellen etwa vom Landratsamt Calw wandte. Denn die vielen Ehrenamtlichen wie Helga Mühleisen vor allem sind es, die dafür sorgen, dass in Nagold die dieser Tage viel beschworene "Willkommenskultur" so vortrefflich funktioniert.

"Zivilgesellschaft zeigt,was sie zu leisten vermag"

"Dies ist ein Haus, in dem die Zivilgesellschaft zeigt, was sie alles zu leisten vermag", spricht Großmann dann später in einer offiziellen Gesprächsrunde auch aus, was ihn zuvor wohl zur eher unbewussten Geste bewogen haben mochte. Aber mit Blick auf die Einfluss-Sphäre eines echten Innenministers fügt er an den Gast gewandt auch hinzu: "Dieses außerordentliche Engagement darf man nicht überstrapazieren." Es fruste etwas, dass die Politik auf Landes- und Bundesebene "nicht die Kraft hat", auf den breiten Missbrauch des Asylrechts, etwa durch Menschen aus sicheren Balkanländern, zu reagieren. "Die Politik muss hier schneller für Abschiebungen sorgen."

Wie groß dieses Problem ist, belegen Zahlen von Norbert Weiser, dem Sozialdezernenten des Landkreises Calw: Er schätzt, dass die "Anerkennungsquote" der Bewohner im Haus Waldeck mit einem echten Anspruch auf Asyl bei nur rund 15 Prozent liege.

Der große Rest werde lediglich geduldet oder warte auf die Abschiebung. "Es würde die Situation auf allen Ebenen erleichtern, wenn die Abschiebungsverfahren deutlich beschleunigt würden."

Wer denn hier für die Abschiebung verantwortlich sei, will der hohe Gast aus Magdeburg wissen – Land oder Landkreise? "Das Land", erwidert Weiser mit einem Unterton, der seine Unzufriedenheit über diese aus seiner Sicht zu zentralistische Regelung ausdrückt.

"Bei uns machen das die Landkreise selbst", kommentiert Stahlknecht. "Mit sehr guten Erfahrungen." Und Thomas Blenke sekundiert, dass – so vorbildhaft das Haus Waldeck in Nagold auch sei – das Land Baden-Württemberg sowieso derzeit noch vieles von Sachsen-Anhalt und der dortigen Flüchtlingspolitik lernen könne. Etwa bei der Frage der Kostenübernahme für Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge: In Sachsen-Anhalt zahlt das Land alle Rechnungen. In Baden-Württemberg, das bestätigen OB Großmann und Norbert Weiser, gebe es "ein Delta" in den Finanzierungen, von dem derzeit nicht ganz klar sei, wer dafür letztlich aufzukommen habe. Auch wenn Großmann sich zuversichtlich gibt, dass auch hierzulande letztlich die Landesregierung dafür einspringen werde.

Stahlknecht und Blenke – die beiden kennen sich aus der Innenministerkonferenz der Länder, an der auch Blenke als innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag regelmäßig teilnimmt. Man mag sich. Die Chemie zwischen den beiden stimmt – wie sie mit Blick auf ihren nicht abgesprochenen "Partnerlook" (beide tragen rosa Hemden zur rosa-karierten Krawatte) beim Besuch in Nagold lachend bestätigen. Daher lud Blenke den Gast zur gemeinsamen Sommertour in seinem Wahlkreis ein.

Eine Einladung, der Stahlknecht gerne folgte, weil Blenke, wie der hohe Gast erzählt, im Anschluss an die Innenministerkonferenzen immer vom "schönsten Landkreis, in dem er wohne, und den nettesten Menschen dort" schwärme. "Und ich muss sagen: Er hat Recht."

Drei Tage bleibt Stahlknecht insgesamt im Kreis Calw, wobei er mit Kollege und Freund Thomas Blenke "so ziemlich alle innenpolitisch relevanten Themen" abarbeiten will. So wurde in Wildberg bereits eine Firma für Sicherheitstechnik besucht.

Später würde es in Bad Liebenzell einen "Blaulicht-Empfang" geben – wieder für Ehrenamtliche, diesmal aus Feuerwehr und Rettungsdiensten. Denn auch Blenke und Stahlknecht wissen, dass sich ein echtes Gemeinwesen in der Gesellschaft nur mit einem engagierten Ehrenamt bilden könne. "Ohne die geht es nicht."

Weshalb auch Blenke sich während der Runde im Haus Waldeck direkt Helga Mühleisen wendet und ihr für ihre "unglaubliche Arbeit" seinen ausdrücklichen Dank ausspricht – stellvertretend für alle ehrenamtlichen Helfer nicht nur im Haus Waldeck.