IBO-Chef Günter Limberg wies darauf hin, dass sich die Fehlzeiten auch in hiesigen Betrieben in den letzten zehn Jahren verdoppelt hätten. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Gesundheit: Fachforum der Initiative Burnout legt Defizite auch in hiesigen Unternehmen offen / Thema mit Tabus besetzt

"Wie setzt man beim Thema Burnout einen Bewusstseinswandel in den Betrieben in Gang?" So formulierte SWR-Moderator Mathias Zurawski die zentrale Frage des 2. IBO Fachforums (IBO = Initiative Burnout) für Fach- und Führungskräfte sowie Personalverantwortliche der Region.

Nagold. Einen Nachmittag lang informierten sich die rund 60 Teilnehmer in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald in Nagold zum Thema Burnout, wobei neben verschiedenen Impulsvorträgen vor allem der gemeinsame Erfahrungsaustausch und die Diskussion im Mittelpunkt stand. Womit eine Momentaufnahme der Situation in den hiesigen Unternehmen – vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum großen Industrie-Konzern – gelang.

Fazit: Manchmal funktioniert der Umgang mit von Burnout betroffenen Mitarbeitern in den Betrieben bereits vorbildlich; oft aber hätten Vorgesetzte und Führungsverantwortliche nur wenig Verständnis für Bedeutung und Folgen von akuter Stressüberlastung ihrer Mitarbeiter.

Gegen Widerstand "beratungsresistenter Führungskräfte"

Dabei müssten gute, gesunde, zufriedene Arbeitskräfte längst für Unternehmen jeder Größe ein Selbstverständnis sein, denn, so Moderator Zurawski in seinen Einleitungsworten, in Zeiten von Quasi-Vollbeschäftigung läge es im Eigeninteresse der Firmen, sich bestmöglich um die "Ressource Mensch" zu kümmern, um gutes Personal zu halten und Kosten von Fehlzeiten oder der Suche nach neuen Mitarbeiter zu minimieren.

Wie groß die Dimension des Problems trotzdem ist, zeigte IBO-Vorsitzender Günter Limberg auf: Allein in den letzten zehn Jahren hätten sich die Fehl- und Ausfallzeiten in den Unternehmen verdoppelt. Vor allem deshalb, so Limbergs Forderung, seien die Controller in den Betrieben aufgerufen, den unzulässigen Verschleiß von Arbeitskräften zu stoppen – auch gegen den Widerstand "beratungsresistenter Führungskräfte". Aber manchmal funktioniert die Hilfe in den Betrieben bereits bestens, auch wenn das Thema Burnout immer noch ein "Tabu-Thema" sei, das auch die Betroffenen oft nicht wahrhaben wollten, bis es zu spät sei – wie eine Betroffene aus dem Kreis Calw aus ihren eigenen Erfahrungen berichten konnte.

Die Mitarbeiterin eines Automobil-Zulieferers und Mutter zweier Kinder geriet nach einer Gehirnblutung des Ehemanns, durch die dieser zum Schwerst-Pflegefall wurde, in eine verhängnisvolle Doppel-, beziehungsweise Mehrfachbelastung aus Beruf, Kinder, Haushalt und Pflege für einen Angehörigen. Vier Jahre hielt die Schichtarbeiterin ("drei Tage Frühschicht, drei Tage Spätschicht") dieses immense Pensum durch, bis es bei ihr selbst zum gesundheitlichen Zusammenbruch – dem Burnout – kam. Folge: eigene, monatelange Fehlzeiten.

Erst, als sie sich einer von ihrem Betrieb eingestellten Sozialarbeiterin anvertraute, bekam die Frau die Situation mit deren Hilfe langsam in Griff. Allerdings: eine eigene Reha-Maßnahme als Burnout-Opfer konnte sie selbst erst nach Einschalten eines Anwalts und einer Klage gegen den Sozialträger durchsetzen – weil sie, da sie viele Jahre in der Überbelastung so gut "funktioniert" hatte, für den Kostenträger noch zu wenig Fehlzeiten hatte. Ein Paradoxon, das sich in diesem Fall erst vor Gericht zum Wohle der Betroffenen lösen ließ. Die Erkenntnis der Calwerin aus ihren Erfahrungen: Betroffene sollten sich unbedingt Hilfe suchen, sich gegebenenfalls an (betriebliche) Sozialarbeiter wenden, "nicht unbedingt an die Vorgesetzten und Führungskräfte".

Denn gerade letztere seien, so wurde in der Diskussion immer wieder deutlich, durch eigene Vorgesetzte und eigene Vorgaben "natürlich zahlenorientiert" und verfolgten deshalb eher kurzfristige Ziele in der Umsatz- oder Ertragsoptimierung, weshalb der "lange Blick" auf das gesundheitliche Wohl der Untergebenen naturgemäß fehle. Woraus einzelne Forderungen der Diskussionsteilnehmer nach einem stärkeren gesetzlichen Eingreifen in die Fürsorgepflichten der Unternehmen für ihre Mitarbeiter resultierten, um diese vor den ja in der Regel nicht selbst verschuldeten gesundheitlichen Risiken eines Burnouts aktiv zu schützen.

Noch mal Moderator Mathias Zurawski: "Ich begreif es wirklich nicht – der aktuelle Arbeits- und Fachkräftemangel bei uns braucht doch natürlicherweise eine maximale Wertschätzung der Unternehmen für ihre Mitarbeiter." Daher müsse es im unbedingten Eigeninteresse der Betriebe sein, sich aktiv und engagierter als aktuell um das Wohl der Kollegen zu kümmern.