Fotos: Hofmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgertheater feiert Premiere mit "Immer wieder Frühling"

Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Die Inszenierung eines Theaterstücks aber ist besonders intensiv. Freud und Leid bekommen plötzlich ein Gesicht. Willkommen beim Nagolder Bürgertheater.

Nagold. Es ist verdienstvoll, was sich die Nagolder Gruppe rund um Regissuerin Isolde Alber für ihr drittes Bürgertheater hat einfallen lassen. "Immer wieder Frühling" feierte jetzt Premiere. Und schon in diesem Namen steckt eine Grundaussage. Allem Leid und Schrecken zum Trotz, das Leben geht weiter. In "Immer wieder Frühling" blüht auch Nagold wieder auf – von der Stunde Null mit dem Einmarsch der Franzosen bis in die boomenden Wirtschaftswunderjahre spannt die Inszenierung den Bogen. Und immer wieder kommt der Frühling in die Stadt.

Ein interessiertes Premierenpublikum folgte der ersten Aufführung des Ensembles. Zwölf werden es am Ende sein. Denn das Bürgertheater wird in den nächsten Wochen das prägende Kulturereignis in Nagold sein. Und für viele Fans des immer wieder sich veränderden Ensembles rund um Isolde Alber ist es schlicht ein Muss, die Aufführungen der motivierten Truppe von Laienschauspielern zu besuchen.

Was 2012 mit dem Revolutionsstück "Hofacker.Hofacker" fulminant begann, sich 2014 mit der mittelalterlichen "Hildegard" auf der Burgruine fortsetzte, ist in diesem Jahr also die Nachkriegszeit mit "Immer wieder Frühling". Damit haben sich Isolde Alber und ihr Team ein besonders anspruchsvolles Thema ausgesucht. Die Recherchen müssen umfangreich gewesen sein. Denn die Nachkriegszeit in Nagold aufzubereiten, ist kein einfaches Unterfangen – wahrscheinlich in keiner deutschen Stadt. Doch es gibt Zeitzeugen und Berichte über die Geschichte und Geschichten von damals.

Manches daran ist traurig und erschreckend

Das Nagolder Bürgertheater setzte viele dieser Geschichten um. Manches daran ist traurig und erschreckend – wobei es unmöglich ist, die wirklichen Schrecken der damaligen Zeit in solch einem Theaterformat aufzuzeigen. Vieles ist auch mutig, intelligent und natürlich auch sehr unterhaltsam. Knitze schwäbische Anekdoten dürfen in so einem Bürgertheater nicht fehlen. Und auch sie sind historisch verbürgt, wie eigentlich fast alles, was in diesen zwei Theater-Stunden zu erleben ist.

"Immer wieder Frühling" ist ein Stationentheater. Die Schauspieler starten mit ihrer ersten Szene im Burgcenter. Dort begegnet einem als erstes eine wunderbar lebendig aufspielende Silvia Katz. Sie verköpert das Mariele, jene Kult-Bedienung aus der Gaststätte "Köhlerei". Und mit Mariele, aber auch vielen anderen Nagolder Gestalten, geht es auf die Marktstraße. Dort erleben die Zuschauer den Einzug der siegestrunkenen Franzosen. Vorneraus wird Bürgermeister Maier getrieben – engagiert gespielt von Thomas Baitinger. Die nächste große Szene ist an der "Burg", die Besatzer verkünden den Nagoldern ihre Gesetze. Am Gerichtsplatz kann eine jener Anekdoten verfolgt werden, die von damals überliefert sind – eine als Mensch verkleidete Ziege wird da im Leiterwagen vor den Besatzern versteckt.

Redselige Nagolder Stammtischbrüder

Mittendrin ist das Publikum danach auf dem Schwarzmarkt. Großartig, wie intensiv die Akteure den Vorbeilaufenden ihre Waren aufdrängen. Und dann geht es auf den Hof der Alten Seminarturnhalle. Das dort gezeigte Theaterbild ist bedrückend und doch voller Hoffnung und Fürsorge. Es zeigt die TBC-Klinik und das Lazarett im Rötenbad.

Der zweite, längere Teil des Stücks wird in der Alten Seminarturnhalle inszeniert. Da begegnet man redseligen Nagolder Stammtischbrüdern (allesamt toll besetzt), mal im "Hennenest", dann in der "Krone" und zum Abschluss wieder in der "Köhlerei" beim Mariele. Die Nagolder Nachkriegszeit, der Wiederaufbau, die Wirtschaftswunderjahre – hier werden sie lebendig. Da begegnet der Zuschauer zum Beispiel den "Luftschnappern" – also Kurgästen. Diese meist auf der Empore gespielten Szenen sind bunt, fröhlich und für das Publikum höchst unterhaltsam. Und schließlich kommen auch die Seminaristen zu Ehren – unter anderem mit quicklebendig gespielten Kinderszenen. Doch auch die ruhigen, nachdenklichen Töne kommen nicht zu kurz. Zum Beispiel jene Ehegespräche zwischen Fritz (Heinz Rutz) und Käthe (Ursula Schneider) – Schlüsselszenen, in denen es unter anderem um die Frage der Schuld und das schlechte Gewissen geht.

Eine hoch verehrte Nagolder Berühmtheit ist Caroline von Olnhausen. Die tiefgläubige, herzliche aber auch standhafte Schwester der Kinderschule (Kindergarten) wird großartig von Heidi Heuser-Kawerau verkörpert. Die Szene an Schwester Carolins Totenbett berührt tief.

"Immer wieder Frühling" ist eine geschickte Aneinanderreihung von einzelnen Szenen – eine Nagolder Geschichtscollage, wenn man so will. Sehenswert ist das Stück auf jeden Fall – nicht nur wegen der Aufarbeitung jener Epoche Nagolder Geschichte, über die noch immer viele Menschen am liebsten gar nicht reden wollen. Und schließlich ist es auch ein großes Vergnügen, zu erleben, wie die Schauspiellaien in den Kostümen engagiert aufspielen. Ungeahnte Talente gibt es da zu entdecken.