Mitten unter den Tänzerinnen der "Crazy Friends of Linedance" fühlt sich Nadine Klossek (Dritte von rechts) richtig wohl. Ihre ganze Konzentration liegt auf der richtigen Schrittfolge.                                                              Foto: Crazy Friends

Mittendrin: Zu Besuch bei einer Übungsstunde der "Crazy Friends of Linedance" auf dem Wolfsberg.

Nagold - Ob Mann oder Frau, beim Linedance stehen alle in einer Linie und tanzen gemeinsam eine einstudierte Choreografie. Theoretisch klingt das einfach. Doch eine Schnupperstunde zeigt: Praxis und Theorie liegen eben oft weit auseinander.

Ein kleiner quadratischer Raum, eine verspiegelte Wand, zehn Tänzer, eine Trainerin. Und mittendrin stehe ich – die sich in ihrem bisherigen sportlichen Leben lieber auf dem Fußballfeld als auf dem Tanzparkett herumgetrieben hat. Viel Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten habe ich angesichts meiner ersten Stunde bei den "Crazy Friends of Linedance" nicht wirklich. "Wir beginnen mit einem Ultra Beginner Line Dance", sagt Trainerin Marion Schönian mit einem aufmunternden Lächeln in meine Richtung. Extra leicht also, der Druck wächst. "Wenn du das nicht schaffst, schaffst du keinen", denke ich mir.

Einstieg mit dem "extra leichten Tanz"

Drei Schritte vor, Fußspitze links, drei zurück, Fußspitze rechts, wiederholen, drehen, tippen, kreuzen, Hüfte einsetzen – Schritt für Schritt geht Marion den Tanz mit uns durch, zuerst ohne Musik und extra langsam. "Alles verstanden?", fragt sie in die Runde. Ich nicke einfach mal so mit. Klar, ist ja auch der extra leichte Tanz.

Die Musik setzt ein: "Levantando las Manos" von der argentinischen Band El Simbolo. Ich konzentriere mich auf Marions Füße, kopiere ihre Schritte. Nach 32 Zählern samt einer Drehung fixieren wir die nächste Wand, Marions Füße sind nun links von mir. Keine Chance zu spicken. Doch dank Marions Tipp am Anfang der Stunde, stehe ich nicht wie gewollt in der letzten Reihe, sondern in der Mitte. Irgendjemand steht also immer vor mir, ich bin gerettet. Als das Lied zu Ende geht, schwinden meine Zweifel etwas. Am Ende lief das doch schon ganz gut. Das mit dem "extra leicht" blende ich einfach mal aus.

"Da braucht man schon eine gewisse Übung, klar", muntert mich Marion auf. Seit 2006 leitet sie die Gruppe, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Aus anfangs zwei Tänzern – neben ihr war nur ihr Mann Peter mit von der Partie – wurde schnell eine größere Gruppe, die zeitweise bis zu 30 Leute umfasste. "Aber das schwankt beim Linedance immer so", sagt Marion. Momentan sind es rund 15 Tänzer. Angefangen hatten sie damals im Sportheim in Wildberg, vor sechs Jahren erfolgte der Umzug in Räume beim Tennisclub Nagold auf dem Wolfsberg.

Auch der Tanz zum zweiten Lied – "Mamma Maria" von Ricchi e Poveri – erhält das Prädikat "extra leicht". Erneut zeigt uns Marion ohne Musik die Schritte, bevor es ernst wird. Je länger das Lied der italienischen Popgruppe läuft, desto sicherer werde ich. Nach und nach lockern sich meine Hüften, die Schrittfolge ist weniger steif und mein Spiegelbild an der Wand gegenüber lässt tatsächlich so etwas wie ein Lächeln erahnen. Freunde ich mich gerade tatsächlich mit dem Linedance an? Kaum schweifen meine Gedanken ab, bin ich auch schon wieder raus. Ich merke: Ohne Konzentration geht hier nichts.

"Das ist schon mehr oder weniger wie Gehirnjogging", gibt Marion zu bedenken. Dabei probiere ich gerade einmal einen Anfängerkurs aus. Als zertifizierte Übungsleiterin hilft Marion den Mitgliedern auch bei der Vorbereitung für das Deutsche Tanzsportabzeichen. Einmal im Jahr kommt dafür speziell ein Prüfer vorbei. "Da zählen nicht nur die Schritte, sondern auch Dinge wie die Haltung", erzählt sie. Wer sich noch weiter qualifizieren möchte, für den stellt das Ehepaar den Kontakt zu den "Eldorado Phoenix Dancer" aus Esslingen her.

"Ich stoße an meine Grenzen"

Wie weit entfernt ich von einem Deutschen Tanzsportabzeichen bin, zeigt sich beim dritten und letzten Tanz dieser Übungsstunde. "Wir lassen das Lied erstmal etwas langsamer laufen zum Lernen. Später tanzen wir es dann schneller", sagt Marion. Ich ahne Schlimmes. Beim Einsetzen der Musik bestätigt sich mein Gefühl. Denn selbst als "Mama Loo" in langsamer Geschwindigkeit abgespielt wird, stoße ich an meine Grenzen. "Wie war das mit dem rechten Fuß und der Drehung?", denke ich verzweifelt während ich den Anschluss verpasse. Trotz aller Hilfe meiner Mittänzer gebe ich auf, entscheide mich für einen etwas freieren Tanzstil à la John Travolta und Uma Thurman aus dem Kultfilm "Pulp Fiction" und sorge so wenigstens für ein paar Lacher.

Und so muss ich nach einer Stunde im Linedance einsehen: Egal wie viel Mühe sich Marion gibt, die geborene Tänzerin bin ich dann doch nicht. Den darauffolgenden Fortgeschrittenen-Kurs lasse ich also lieber aus. Spaß gemacht hat es trotzdem. Und die "Crazy Friends of Linedance" werden – so viel ist für Marion und Peter sicher – auch ohne mich weiter bestehen: "Das ist unser Baby, das geben wir nicht her."