Werner Koczwara ist gern gesehener Gast in der Alten Seminarturnhalle in Nagold. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kleinkunst: Kabarettist Werner Koczwara reitet in seiner Justizsatire durch den deutschen Paragraphenwald

Von Sabine Stadler

Nagold. "Einer flog übers Ordnungsamt" ist das mittlerweile fünfte Programm, in dem sich Kabarettist und Erfolgsautor Werner Koczwara unterhaltsam mit Paragraphen, Gesetzestexten und Urteilen dazu auseinandersetzt. Eine von Haus aus trockene Materie, die er komisch, abgründig und kurzweilig in der Alten Seminarturnhalle in Nagold zum Besten gab.

Rund 150 Gäste lauschen der Justizsatire

Der heiße Tag hätte eher dazu eingeladen, den Abend in einem der Gartenlokale der Region bei einem erfrischenden Getränk zu verbringen, statt sich mit Gesetzesauszügen berieseln zu lassen und etwas über Paragraphen zu hören, die die Welt nicht braucht. Und doch waren etwa 150 Gäste im Saal versammelt, um der Justizsatire von Koczwara zu lauschen und sich über die deutsche Regelungsvielfalt mit unnötigen Gesetzen zu amüsieren.

Als Autor mehrerer Fernsehshows und gebürtiger Schwabe, der seinen eigenen Dialekt als "Oxford-Schwäbisch" bezeichnet, ließ er seinen teils schwarzen Humor in seiner jüngsten Justizsatire über das Publikum niederprasseln. Nein, er präsentierte keinen vierstündigen Diavortrag über die pittoresken Schönheiten Neuseelands, obwohl er sein Programm zunächst so ankündigte. Bei ihm mussten die unterschiedlichsten Moränen dieser Welt mit ihren lachenden Gesichtern herhalten, um von einem Gesetzestext zum nächsten und von Paragraph zu Gerichtsurteil überzuleiten.

Gleich zu Beginn erklärte Koczwara den Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit. Ein äußerst schwieriges Thema innerhalb der deutschen Rechtsprechung, das sich durchaus zu Grundsatzdiskussionen eignet, um den Unterschied zwischen Gut und Böse herauszukristallisieren. Wer seine Großmutter mit einem Gewehr aus 500 Metern Entfernung erschießt, ist zwar ein guter Schütze, aber kein guter Enkel. Verfehlt der Schuss die Großmutter, handelt es sich weder um einen guten Enkel noch um einen guten Schützen. Böse, böse…

Gut und Böse sind nicht immer einfach zu erklären, deshalb gibt es innerhalb der deutschen Gesetze unendlich viele Paragraphen, die bei der Frage nach Recht und Unrecht weiterhelfen. So erklärt beispielweise Paragraph 7 des Landesjagdgesetzes, "dass in Räumen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, nicht gejagt werden darf", weshalb man sich nach Koczwaras Gesetzesauslegung in der Seminarturnhalle sicher fühlen kann, falls eine Horde Wildschweine durch den Saal stürmt. "Denen kann nichts passieren", so versicherte er den Zuschauern süffisant lächelnd. Der schwäbische Erfinder der Justizsatire galoppierte durch den Paragraphendschungel, trug die via Beamer zum Mitlesen auf eine Leinwand geworfenen Gesetzespassagen vor und erntete ob der vielen obskuren und haarsträubenden Regelungen der deutschen Rechtsprechung viele Lacher.

"Für sinnlose Vorgänge besteht kein Regelungsbedarf"

Es gibt ja im deutschen Recht wohl nichts, was nicht in irgendeiner Form gesetzlich geregelt ist. Beamte hören es sicher auch gerne, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, wenn sie bei der Arbeit einschlafen, vom Stuhl kippen und sich dabei verletzen. Oder aber, dass ein eingeklemmtes Knie in der Haustür versichert ist, weil dieses Knie bereits auf dem Weg zur Arbeit war, also ein Arbeitsunfall auch hier vorliegt. Nicht versichert ist hingegen die Nase, die sich noch im Inneren des Hauses befindet. Da tut es richtig gut zu hören, dass das Oberlandesgericht Köln Folgendes festgehalten hat: "Für sinnlose Vorgänge besteht kein Regelungsbedarf."

Logik ist, wenn man aus Informationen Schlüsse ziehen kann und wer kann das besser als Juristen. Wer also eine Leberwurst gekauft hat und ein Schnitzel in der Tüte findet, der hat – logischerweise – eine mangelhafte Leberwurst erhalten und schon kann er diesen "Mangel" rechtlich einklagen.

Ob der vielen mitzulesenden Paragraphen und Gesetzesurteile war eine ausgedehnte Pause zwischen dem 45-minütigen Anfangsteil des Ritts durch Reise-, Arbeits-, Familienrecht und Konsorten auch in Anbetracht der tropischen Temperaturen eine Wohltat, bevor es mit wiederholt umfangreichen Moränenbildern in den schillerndsten Farben im kürzeren Schlussteil mit der Rechtsphilosophie unter Koczwara weiterging.

Der Scheibenwischer-Autor klärte auch darüber auf, dass Vegetarier entweder Tierliebhaber oder Pflanzenhasser sein müssen, denn "was man hasst, wird vernichtet". Er wich auch durch mehr oder weniger bekannte Witzeinlagen von seiner rechtswissenschaftlichen Aufklärungsarbeit ab und legte zum guten Schluss unaufgefordert drei Schippen in Form von Zugaben obendrauf, bevor er sein zufrieden applaudierendes Publikum in die durch ein Gewitter geklärte Luft einer Mittsommernacht entließ.