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Alte Bibel der Familie Köhler enthält Einträge aus 110 Jahren / Nachkommen lesen aus Historie vor

Nagold-Mindersbach. Geschäftiges Treiben herrscht in der Mindersbacher Kirche bei der ersten Probe zum internationalen Museumstag. Ortsvorsteherin Heiderose Rück stellt einen Korb voller Süßigkeiten auf, blättert in ihren Unterlagen, gibt letzte Anweisungen. Dann geht es los: Die Darsteller nehmen ihre Plätze auf der Treppe zur Kanzel ein und beginnen ihre Texte vorzulesen. Texte, die die Zuhörer in eine Zeit lange vor Smartphones und guter medizinischer Versorgung entführen.

Aktuelle Geschehnisse wurden in die Bibel eingetragen

Passend zum internationalen Museumstag am Sonntag, 21. Mai, der dieses Jahr unter dem Motto "Spurensuche – Mut zur Verantwortung" steht, hat Rück sich auf eine ganz eigene Spurensuche begeben – und dabei einen wahren Schatz der Heimatgeschichte zutage gefördert. Im Gespräch mit dem früheren Ortsvorsteher Hans Köhler, der 1995 die "Familien- und Hausgeschichte Mindersbach" veröffentlichte, stellte sich heraus, dass eine alte Familien-Bibel von 1735 in einem Haus im Ort aufbewahrt wird. Die Familie von Georg Friedrich Köhler, die die Bibel 1808 kaufte, hatte regelmäßig im hinteren Teil der Bibel die aktuellen Geschehnisse eingetragen, ähnlich wie in einem Tagebuch. Der letzte Eintrag stammt aus dem Jahre 1918 – diese Bibel enthält also 110 Jahre Heimatgeschichte.

Rück befasste sich intensiv mit der Familie Köhler und den Geschehnissen in Mindersbach zu dieser Zeit. Gleichzeitig wollte sie aber auch wissen: Was ist in dieser Zeit im Rest von Württemberg und auf der Welt passiert?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, traf sich die Ortsvorsteherin mit ihrem ehemaligen Geschichtslehrer Ulrich Schmelzer, um etwas "Nachhilfe" in Sachen Geschichte zu bekommen. Gemeinsam haben Rück und Schmelzer schließlich die großen Ereignisse dieser 110 Jahre herausgearbeitet – sowohl in Mindersbach, als auch im Rest der Welt.

Wieviele Stunden Rück in das Projekt investiert hat, kann sie gar nicht mehr sagen. Jedenfalls hänge ihr gesamtes Büro voller Post-Its mit Notizen über die Familien in Mindersbach, lacht die Ortsvorsteherin. "Es war eine brutal wertvolle Zeit."

Sechs Nachkommen lesen die Geschichten oder machen Musik

Daraus entstanden ist nun eine Zeitreise, die von vier Nachkommen von Georg Friedrich Köhler vorgelesen wird: der zehnjährigen Lina Köhler, dem 15-jährigen Timo Gaiser, dem 20-jährigen Dominik Köhler und der 20-jährigen Caroline Dürr, in deren Elternhaus die Bibel lag. Zudem werden Bilder von den Häusern in Mindersbach oder speziellen Ereignissen gezeigt.

Musikalisch untermalt werden die Geschichten ebenfalls von zwei Nachkommen der Köhlers: Anna und Christine Schill haben von Rück nur den Text bekommen, der vorgelesen wird. Daraus haben sie dann ihre eigenen Kompositionen geschrieben, die die Besucher noch tiefer in die damalige Zeit eintauchen lassen. Der Sängerkranz Mindersbach sowie der Kirchenchor werden zudem zu Beginn und zum Abschluss auftreten.

Die Veranstaltung zum Internationalen Museumstag am 21. Mai beginnt um 14 Uhr in der Mindersbacher Kirche. Anschließend gibt es im Gemeindehaus Kaffee und Kuchen. Es wird eine Pfaff-Bibel von 1735 – das gleiche Exemplar, wie die von Köhler – ausgestellt. Außerdem wird die Familien- und Hausgeschichte Mindersbach verkauft. Hans Köhler wird zu Gast sein und signiert die Bücher.