40 Jahre Musikschule: das Kammerorchester im Jahr 1999 (links), eine Unterrichtsstunde heute (Mitte), die alte methodistische Kirche (oben). Fotos: Archiv /Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Städtische Musikschule besteht seit 40 Jahren / Erstes Domizil in der alten Methodistenkirche / Heute Festkonzert

Von Heiko Hofmann

Nagold. Die Stadt Nagold ohne Musikschule? Unvorstellbar. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fassten Nagolds Stadtväter einen weitreichenden Beschluss, der heute noch das kulturelle Leben in dieser Stadt maßgeblich prägt: die Gründung einer Musikschule.

Man fing nicht bei null an. Als vor 40 Jahren zum 1. September 1974 unter Schulleiter Mito Bernd Schmid die Musikschule der Stadt Nagold mit ihrer Arbeit begann, da waren es immerhin schon 150 Schüler, um die sich sieben Lehrkräfte kümmerten. Weitsicht hatten die Gründer damals bewiesen, allen voran Nagolds damaliger Oberbürgermeister Joachim B. Schultis, der – und das hat er mit seinen Nachfolgern Rainer Prewo und Jürgen Großmann gemein – stets große Stücke auf die Arbeit der Musikschule hielt. Und so kam es, dass Nagold als eine der ersten Kommunen in der Region 1974 eine eigene Musikschule eröffnete.

Das Bild freilich stimmt nicht ganz, denn ein eigenes Gebäude gab es damals für den Musikunterricht noch nicht. Der im Jahr 2005 verstorbene Mito B. Schmid und seine Kollegen unterrichteten an ganz unterschiedlichen Stätten: Im alten Feuerwehrmagazin zum Beispiel, oder auch in Klassenzimmern von Schulen.

1982 dann wurde alles besser: In der einstigen methodistischen Kirche in der Innenstadt fand die Musikschule ihre erste feste Bleibe. Heute steht das Gebäude in der Kirchstraße nicht mehr. An seiner Stelle befindet sich der Kubus – auf dessen Bühne immer wieder auch Musikschüler auftreten. Noch heute erinnern sich viele Nagolder an so manchen musikalischen Höhepunkt jener Zeit. Zum Beispiel die zwei großen Opernproduktionen "Der Mond" und "Pollicino" in der Nagolder Stadthalle.

1992 ist ein weiteres prägendes Jahr in der Musikschulgeschichte. Florian Hummel, der heute noch die Geschicke der Einrichtung leitet, tritt auf den Plan. Nagolds Gemeinderat hatte ihn als Nachfolger für den schwer erkrankten Mito B. Schmid berufen. 1992 erlebte Nagold im Übrigen auch einen Oberbürgermeisterwechsel – die Ära Prewo begann. Und noch etwas passierte in diesem Jahr: Die Bleibe der Musikschule, die alte Methodistenkirche in der Kirchstraße, wurde abgerissen. Wieder befand man sich in Nagold auf der Suche nach adäquaten Räumen. Burgcenter, die Alte Vogtei oder doch ein Gebäude in der Hohe Straße? Über zahlreiche Lösungen wurde nachgedacht. Man entschied sich für ein Provisorium, aus dem allerdings später eine optimale Lösung erwachsen sollte. Im Erdgeschoss des ehemaligen Verwaltungsgebäudes des Nagolder E-Werks konnten einige Räume für die Verwaltung und den Unterricht genutzt werden – neben Zimmern der Zellerschule und der Burgschule. Das war der erste Schritt ins heutige Domizil am Glockenrain. Als "glanzvollen Höhepunkt der Geschichte der Musikschule", bezeichnet Florian Hummel die Schenkung des Musikschulgebäudes. Rolf Hinderer schenkte am 6. Dezember 1994 das schmucke Haus am Glockenrain der städtischen Einrichtung. Zug um Zug, Stockwerk um Stockwerk, erfolgte der Ausbau. 1997 war die feierliche Einweihung. "Wir fühlen uns hier sehr wohl", freut sich Hummel über die gute und auch atmosphärisch schöne Heimat der Schule.

Die Geschichte der Musikschule ist eine Erfolgsgeschichte. Das zeigt sich auch an den aktuellen Zahlen: 27 Lehrkräfte unterrichten derzeit mehr als 900 Schüler. Dieser Erfolg ist eng mit der Person Florian Hummel verbunden. Mit einer Mischung aus Breiten- und Begabtenförderung setzte er von Anfang an neue Akzente. Vor allem der Netzwerker Hummel trat in Erscheinung. Mit zig Schulen, Kindergärten und Vereinen kooperiert er – das fängt bei Bläserklassen an und hört beim Kammerorchester auf. Hummel, stets offen für Neues, etablierte neben den klassischen Instrumentalfächern auch neue: E-Gitarre, Pop-Gesang, Stimmbildung, Keyboard, E-Bass, Schlagzeug. Schon bei den Einjährigen fängt das musische Kursangebot an: Musik für Eltern und Kind, Musikfantasie, musikalische Früherziehung – das Angebot für die Kleinsten ist breit gefächert.

Immer wieder tritt die städtische Musikschule auch mit Kooperationsprojekten in der Öffentlichkeit auf. Als "wertvolle Kooperation" bezeichnet Hummel die Zusammenarbeit mit Behinderten-Einrichtungen wie der GWW und der Lebenshilfe. Auch Menschen mit Behinderung besuchen die Musikschule. Unvergessen sind gemeinsame Aufführungen von behinderten und nicht behinderten Musikern und Schauspielern in der Stadthalle: "Hans im Glück" wurde da gegeben, oder "Don Quijote" und der "Zug der Geschichten".

Das gemeinsame Musizieren ist für Hummel und seine Mitstreiter ein besonders wichtiges Anliegen. Es gibt Spielkreise, die Jazz-Combo MS Groove, eine Rock-Band, die Folk-Band Greenlights, verschiedene Instrumentalensembles und natürlich das musikalische Flaggschiff des Jubilars: das Nagolder Kammerorchester und sein Junior-Ableger, das Jugendorchester. Das Kammerorchester ist Hummels Kind. Gleich 1992 gründete er den Klangkörper. Was in der Größe eines Kammerorchesters begann ist heute eigentlich ein ausgewachsenes Sinfonieorchester. Seit 1996 kooperiert die Musikschule bei der Orchesterarbeit mit dem Otto-Hahn-Gymnasium. Auch so entwickelte sich das Kammerorchester zu einem echten Mehrgenerationenprojekt. Der jüngste Musiker ist derzeit zehn Jahre alt, der älteste 80. Musik verbindet – nirgendwo wird das so deutlich wie bei einem Konzert des Nagolder Kammerorchesters. Wer den Beweis erleben will: Zum Festkonzert am heutigen Samstag ist jeder willkommen. Ab 16.30 Uhr ist die Stadthalle geöffnet, Konzertbeginn ist um 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Und etwas Neues, wird auch diesmal gewagt: Hummels Sohn Rafael hat ein Stück komponiert, ein Werk für Rapper und Orchester. Der Titel: "Musikzauber".