Nico van de Weyer berichtete im Ausschuss offen über sein Arbeitsfeld als Schulsozialarbeiter am OHG. Foto: Fritsch

Nico van de Weyer berichtet aus seiner Tätigkeit am OHG von zum Teil dramatischen Fällen.

Nagold - Es ist eine wahre "Horror-Liste", die der Schulsozialarbeiter am Otto-Hahn-Gymnasium (OHG), Nico van de Weyer, in seinem ersten Bericht vor dem Kultur-, Umwelt- und Sozialausschuss (KUSA) zur Art der von ihm betreuten Fälle vortrug.

Zum einen sei Mobbing "allgegenwärtig" am OHG, auch das "Ritzen", also das Verletzten der eigenen Haut mit scharfen Gegenständen, sei "ein großes Thema". Es gehe weiter mit Essstörungen und Sucht-Thematiken "entlang der ganzen Palette bis hin zu den richtig harten Drogen." Auch verschiedene Kindswohlgefährdungen wären sachkundig geworden. Dramatischer Höhepunkt: ein aktueller Fall, in dem ein Vergewaltigungsvorwurf im Raum stehe.

"Deswegen haben wir diese Stelle ja geschaffen"

Van de Weyer trug diese Liste vor, um dem Gremium deutlich zu machen, wie er sagte, dass "es auch an einem Gymnasium" die gesellschaftlich relevanten Problemstellungen gebe, für die sonst in der öffentlichen Wahrnehmung eher andere Schulformen stünden.

Während die KUSA-Mitglieder diesen Teil von van de Weyers Vortrag im Ratssaal komplett undiskutiert zur Kenntnis nahmen und sich nur eher allgemein für den seiner Meinung nach grundsätzlich bestehenden Personalbedarf im Schulsozialdienst interessierten, konkretisierte Nico van de Weyer gegenüber dieser Zeitung, dass es sich bei den von ihm aufgezeigten Themen "um Einzelfälle" handle, die eben eine gesamtgesellschaftliche Situation widerspiegelten; das OHG nehme da keine besondere Stellung im Vergleich zu anderen Schulen ein, auch Nagold nicht im Vergleich zu anderen Kommunen.

Vielmehr sei es so, dass es ja durch die Schaffung seiner Stelle im Schulsozialdienst zum Schuljahr 2013/14 erstmals möglich geworden sei, solche Thematiken und Probleme fürs OHG "sichtbar" zu machen – für den Schulträger (also die Stadt Nagold), aber auch für Eltern, Lehrer und damit die Öffentlichkeit. Bei einer solch großen Schule wie dem OHG mit weit über 1000 Schülern sei es wahrscheinlich unvermeidlich, dass es zu solchen auch sehr ernsten Vorkommnissen komme.

Gegenüber dem KUSA wies der Sozialarbeiter denn auch auf die entsprechende Nachfrage von Bernd Gorenflo (Grüne), selbst Lehrer von Beruf, darauf hin, dass das Land Baden-Württemberg einen Schlüssel von höchstens einem Schulsozialarbeiter für 600 Schüler empfehle; gemessen daran, bestünde am OHG mindestens noch Bedarf für eine weitere Stelle wie die seine.

Allerdings berichtete van de Weyer – an dieser Stelle noch sehr zum Amüsement des Gremiums – auch davon, dass beispielsweise Eltern gelegentlich zu ihm in seine regelmäßig angebotene Sprechstunde kämen, um mit ihm "über ihre Paarprobleme" zu reden, was nun eigentlich so gar nicht zu seinem thematischen Aufgabenbereich zähle. Hier müsse er regelmäßig die Betroffenen an außerschulische Beratungsangebote verweisen.

Organisatorisch ist die Schulsozialarbeit dem Youz Nagold zugeordnet, deren Geschäftsführer Gerd Hufschmidt ist auch van de Weyers Dienstvorgesetzter. Hufschmidt weist auf Nachfrage dieser Zeitung ebenfalls darauf hin, dass die "Horror-Liste" vom OHG für "gewisse Einzelfälle" stehe. Sie dokumentiere aber auch, dass es eben auch einen echten Bedarf für Schulsozialarbeit an den Nagolder Schulen gebe. "Deswegen haben wir diese Stellen ja geschaffen", um mit solchen Problemstellungen künftig besser und sachgerecht, "am besten präventiv" durch Aufklärungsarbeit im Unterricht, umgehen zu können.

Zur Ganztagsbetreuung: "Mit viel Tempo, aber wenig Plan" gewachsen

Allerdings machte Hufschmidt, der in der KUSA-Sitzung den Bericht zur gesamten Arbeit des Youz vortrug, die Räte auch darauf aufmerksam, dass gerade auch durch die "rasant wachsende Nachfrage" von Ganztagsbetreuung an den Nagolder Schulen (die ebenfalls vom Youz in Zusammenarbeit mit den Schulen organisiert wird) immer mehr eine grundsätzliche Diskussion darüber notwendig werde, wo man mit der Schülerbetreuung eigentlich konzeptionell hinwolle. Bisher sei man in diesem Bereich "mit viel Tempo, aber wenig Plan" gewachsen und komme nun "an unsere Grenzen". Was fehle – und das gelte auch für die Schulsozialarbeit – sei eine gemeinsame Strategie von Schulträgern, Schulen und Jugendarbeit, welche inhaltlichen Ziele die gemeinsame Betreuungsarbeit eigentlich langfristig ausfüllen solle.

Oberbürgermeister Jürgen Großmann erwiderte in seiner Stellungnahme auf diese Forderung Hufschmidts, dass es in diesem Bereich "keine einfachen oder schnellen Antworten" gebe, sondern die Lösung sich in einem Prozess entwickeln müsse. Aber, ja, diese Thematik werde auch auf den KUSA künftig zukommen. Für die Stadt sei aktuell aber das weitaus drängendere Problem, auch noch eine Ganztagsbetreuung für die unter Dreijährigen auf die Beine zu stellen, und hier vor allem geeignete Räumlichkeiten für ein solches Angebot zu finden.