Auf ihrer Reise besuchte die Hilfsorganisation auch ein Dorf, in dem Sinti und Roma leben. Foto: Schmitt Foto: Schwarzwälder-Bote

Wohltätigkeit: Als "Hilfe zur Selbsthilfe" eröffnet gemeinnütziger Verein Workshop-Haus in Rumänien

Von Nadine Klossek

Jürgen Schmitt begleitete einen Hilfstransport nach Rumänien. "Verheerend" nennt er die Zustände vor Ort. Kinder haben keine Zukunft, wachsen in Armut auf – mitten in Europa. Ein "Workshop-Haus" soll nun Abhilfe schaffen.

Nagold. Neun Jungen blicken in die Kamera. Sie tragen löchrige Hosen, ihre Gesichter, Hände und Beine sind dreckig. Einige von ihnen lächeln, andere ziehen Grimassen. Das Foto ist nur eine von vielen Momentaufnahmen, die Jürgen Schmitt von seiner Reise durch Rumänien mitgebracht hat. Aufnahmen, die von Armut gezeichnet sind. Die zeigen, welche katastrophalen Zustände in dem osteuropäischen EU-Land herrschen.

Knapp eine Woche lang begleitete Schmitt einen Hilfstransport nach Rumänien, der vom Verein Hilfstransporte + Waisenhilfe Nagold organisiert wurde. Er selbst nahm dabei im Vorfeld eine Schlüsselrolle ein: Als Daimler-Mitarbeiter konnte er einen sogenannten Pro-Cent-Antrag stellen – eine Initiative, die Projekte für Kinder, Jugendliche und Behinderte sowie den Umwelt- und Naturschutz fördert.

"Hilfstransporte + Waisenhilfe" hatte bereits 2013 über die Landesstiftung Baden-Württemberg eine Näherei in der rumänischen Stadt Ocna Mures aufgebaut. Dort können Jugendliche das Nähhandwerk erlernen und sich ausbilden lassen. Dank der über das Pro-Cent-Programm gesammelten Spende konnte der Verein nun auch noch eine Schreinerei, eine Fahrradwerkstatt und ein Friseurgeschäft aufbauen. Letzteres ist bereits seit Dezember 2014 in Betrieb, jüngst folgten die Schreinerei und die Werkstatt. Die VR-Bank Werra-Meißner steuerte zusätzliche Gerätschaften für die Schreinerei bei.

"Die Hilfe zur Selbsthilfe ist uns besonders wichtig", erklärt Karin Wahr, Geschäftsführerin von "Hilfstransporte + Waisenhilfe". Viele Rumänen wachsen in solch ärmlichen Verhältnissen auf, dass es schwierig sei, aus eigener Kraft der Armut zu entkommen. "Deshalb setzten wir auf langfristige Hilfe, statt einem ›Gießkannen-Prinzip‹", sagt sie. Das "Workshop-Haus", das die vier genannten Einrichtungen umfasst, soll den Kindern eine Zukunftsperspektive bieten.

Seit 27 Jahren engagiert sich Wahr in Rumänien. Sie hat Erfahrung, kennt die Situation vor Ort. Ganz im Gegenteil zu Schmitt. Er fuhr zum ersten Mal nach Rumänien, erlebte das erste Mal hautnah, wie die Situation wirklich ist. Ein Besuch bei den Sinti und Roma blieb ihm besonders im Gedächtnis. "Es war verheerend", kommentiert er die hygienischen Zustände.

Umso glücklicher mache es sowohl ihn als auch Wahr, dass es immer wieder Menschen gebe, die helfen möchten. Acht weitere Helfer hatten sich gefunden, um die zwei LKWs und einen Transporter nach Rumänien zu bringen. Sie alle opferten ihren Urlaub, um 28 Tonnen Hilfsgüter – unter anderem Schulmöbel, Grundnahrungsmittel und medizinische Geräte – in den Dörfern zu verteilen.Trotz des Engagements stoßt der Verein des Öfteren an seine Grenzen. Beispielsweise im Bezug auf die Sortierung der ankommenden Sachspenden im Nagolder Lager. Wenn eine der ehrenamtlichen Helferinnen krank ist, wird es laut Wahr schwierig. Auch LKW-Fahrer werden dringend gesucht.

Immer häufiger unbrauchbare Spenden

Ein anderes Problem stellen unbrauchbare Spenden dar, die in Nagold abgegeben werden. Da landen schon einmal verdreckte Kleidungsstücke bis hin zu ungewaschenen Unterhosen auf dem Sortiertisch. "Es muss ja nicht gebügelt werden. Aber wenigstens gewaschen", so Wahr. "Man sollte auch armen Menschen Würde schenken."

Für die Zukunft sind schon die nächsten Ziele festgelegt. So sucht man momentan nach einer Lehrkraft für die Schreinerei. Die Näherei soll in nächster Zeit kostendeckender arbeiten. Schmitt ist beeindruckt, was durch den von ihm gestellten Antrag alles erreicht werden konnte. "Die Kinder kommen in ein neues Leben. Es werden ihnen Strukturen vermittelt", freut er sich. Es ist einer von vielen kleinen Schritten im Kampf gegen die Armut.

Weitere Informationen: www.hilfstransporte.org