In Haiterbach hat sich eine Bürgerinitiative gegen das Übungsgelände formiert. Foto: Fritsch

Skepsis gegen geplantes KSK-Absetzgelände am Dürrenhardter Hof weicht nur langsam.

Haiterbach/Region - So ganz mochten die vielen Bürger aus Haiterbach und Umgebung dem Frieden nicht trauen. Der Staat hört sie an – in Form einer Bürgerinformationsveranstaltung in Sachen "Absetzgelände am Dürrenhardter Hof"? Fragt sie nach ihren Fragen zum Thema, sogar nach ihrer Meinung?

"Das ist doch längst alles entschieden und wir sollen hier eingelullt werden!", wettert besipielsweise Martin aus Haiterbach. Wie er sind viele der vielleicht drei-, vierhundert Bürger an diesem Abend in der Haiterbacher Kuckshalle im wütenden Protestmodus gegenüber den Offiziellen. Die aber bleiben – oft beeindruckend – ruhig. Und werden nicht müde, den echten Sachverhalt zu erklären.

"Mich haben die Amerikaner interessiert"

Und der ist: "Die Bundeswehr hat zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal den offiziellen Antrag gestellt, den Segelflugplatz Nagold-Haiterbach in ihr neues Absprunggelände für das Kommando Spezialkräfte (KSK) umzuwandeln." Was bedeute: Man sei wirklich ganz am Anfang des Verfahrens. Und das sei offiziell, so einer der anwesenden Vertreter des baden-württembergischen Staatsministerium. Das Staatsministerium ist in diesem Projekt soetwas wie der "Vermittler", der das gesamte Vorhaben moderiert. Und als eine Lehre aus "Stuttgart 21" von Anfang an für Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung sorgt.

Etwa mit dieser Info-Veranstaltung, auch mit dem Spaziergang zum geplanten Absetzgelände am Dürrenhardter Hof zuvor (siehe unten). Doch im Nordschwarzwald ist man wohl so viel Offenheit des Staates noch nicht gewohnt, muss die neue Art des Umgangs der Obrigkeit mit den Bürgern noch lernen. Einer, der den Bogen schnell raus hat wie das geht, ist Jan aus Oberschwandorf. "Mich haben die Amerikaner interessiert", erzählt er, nachdem er die Anwesenden Uniformierten der US-Streitkräfte, die neben dem KSK den neuen Absprungplatz künftig nutzen wollen, ausführlich mit seinen Fragen gelöchert hat. Sowas gab es eigentlich noch nie – US-Soldaten, die sich in einem solchen Rahmen den Fragen deutscher Bürger stellen. Und geduldig und ausführlich beantworten.

Und dabei erstaunlich offen sind. "Klar haben wir Verständnis", sagt einer der US-Offiziere. "Es geht um Ihr Heimat, Ihre Nachbarschaft." Sein Kollege erzählt, dass er privat lange in Wiesbaden gewohnt habe, "in der Einflugschneise vom Flughafen Frankfurt". Daher – so die unmissverständliche Aussage der beiden US-Soldaten – gebe es garantiert keine Absprünge an Sonntagen. Und die Nachtabsprünge werde man in die Wintermonate, wenn es früher dunkel wird, so legen, dass sie nie nach 22 Uhr stattfänden.

"Skepsis ensteht durch zu wenig Wissen"

Jan aus Oberschwandorf ist mit den Antworten zufrieden, auch beeindruckt. "Skepsis entsteht durch zu wenig Wissen", daher sei diese Veranstaltung sehr wertvoll. "Ich verstehe, dass die einen neuen Übungsplatz brauchen." Weshalb sich seine eigentliche Wut "gegen den Bosch" richte, "gegen deren Arroganz, einfach das bisherige Absprunggelände mit dem Hinweis zu beanspruchen, dass sie sonst ins Ausland gehen würden. Das ist Erpressung." Ein Vorwurf an den großen Automobilzulieferer, den man hier an diesem Tag öfters hört.

Manfred aus Nagold hat sich den anwesenden Vertreter der Landsiedlung Baden-Württemberg geschnappt; die sind für die notwendigen Grundstücksgeschäfte rund um das geplante Absprunggelände zuständig. "Was ist, wenn die bisherigen Grundstückseigentümer nicht verkaufen? Ist das Projekt dann gestorben – oder wird enteignet?" Auch das eine häufige Frage an diesem Abend.

Der Mann von der Landsiedlung antwortet professionell: die Bundeswehr habe in solch einem Verfahren grundsätzlich schon besondere Privilegien, aber niemand wolle ernsthaft enteignen. Bisher sei das auch in vergleichsweisen Fälle nie notwendig geworden. Weil die Landsiedlung einen "bunten Strauß an Verhandlungsmöglichkeiten" für solche Aufgaben in petto habe. Und er erzählt von dem Fall eine Landbesitzers, der lange nicht an die Messe Stuttgart verkaufen wollte. Letztlich hat er aber sein Land gegen neues in Top-Lage am Bodensee tauschen können. Da wurde er doch schwach. "Landbesitzer, in der Regel Landwirte, brauchen kein Geld – die brauchen gute Ersatzflächen." Und mit dieser Währung kann die Landsiedlung offenbar gut verhandeln.

Und der Lärm? - Ja, der sei noch weitgehend wirklich unkalkulierbar, gibt hier jeder zu. Die Zahlen, die man habe und mit denen man aktuell operiere, sind theoretische Zahlen aus einer Computerberechnung. Erst, wenn es im weiteren Verfahren ein "Medizinisches Lärmschutzgutachten" gebe werde, würde mit echten, durch Mikrophone ermittelten Lärm-Werten operiert werden können.

Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann macht den Bürgern, die ihn an diesem Abend mit ihren Fragen belagern, aber klar: "Eine Last" aus dem Lärm "wird es für alle Anwohner rund um den Absprungplatz geben. Kein Zweifel." Aber daraus ließen sich auch Vorteile gewinnen – für Haiterbach, für Nagold.

Wie das geht? "Bund, Land und Bosch müssen was bringen, wenn sie diesen neuen Absprungplatz wollen." Wäre das nicht ein Kuhhandel?, fragt eine Dame nach. "Wenn Sie es so nennen wollen. Aber das muss für die Region ja nichts Schlechtes sein." Zum Beispiel, wenn aus solch einem Projekt die Südost-Anbindung Haiterbachs in Richtung Horb rausspringen würde. "So etwas kann nur das Land bauen." Und die Gelegenheit wäre auf einmal günstig. Oder neue Arbeitsplätze von Bosch am Standort Haiterbach. Der Nagolder OB unterstreicht noch einmal: "Die müssen was bringen, wenn sie das von uns wollen." So läuft das eben.

Großmann: "Platz muss uns richtig was bringen"

Auf den Gesichtern aller Zuhörer zeigt sich seltsame Ungläubigkeit. Soetwas wird doch sonst immer hinter verschlossenen Türen in Hinterzimmern ausgehandelt – und auf einmal sind die Bürger aktiv dabei!? "Es ist ein neuer Stil, der von der Landesregierung aktiv so gewollt wird", erläutert noch einmal Lisa Weis von der "Allianz für Beteiligung", die den Abend moderiert hat. Es sei wirklich der frühest denkbare Zeitpunkt im Verfahren, an dem man sich an die Bürger gewandt habe. Alles sei noch offen. Und ganz allmählich erkennt auch der letzte Protestler im Rund, dass er hier wirklich die Chance als Betroffener, als Bürger hat, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Und zum Beispiel auch Forderungen zu stellen. Noch mal OB Großmann: "Wenn wir den Absetzplatz akzeptieren, muss er uns richtig was bringen."