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Bau muss rentabel bleiben. Ausschüttung von Fördermitteln könnte zu wahrem Bauboom führen.

Nagold - Nicht erst durch die Flüchtlingskrise sind die regionalen Wohnungsmärkte in Deutschland leergefegt. Gerade die unteren Einkommensschichten suchen oft vergeblich nach geeigneten vier Wänden – auch im Kreis Calw. Auch in Nagold.

Aber diese Situation sei nicht neu, sagt Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann. "Auch nach der Wende und dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre kamen auf einmal sehr viele Menschen zu uns", erinnert sich der OB. Und bezahlbare Wohnungen wurden auf einen Schlag überall knapp. Damals waren es die Russlanddeutschen, die innerhalb kürzester Zeit landauf, landab untergebracht und versorgt werden mussten. "Das war das Gleiche wie heute." In Nagold entstand damals in der Folge ein komplett neuer Ortsteil – der Obere Steinberg – um die Situation zu entspannen. Möglich wurde dies, weil der Staat – auf Bundes- und Landesebene – Gelder für den sozialen Wohnungsbau mobilisierte. "Genau das muss jetzt wieder passieren", sagt Großmann, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Kreisbaugenossenschaft Calw ist. "Nur so wird der soziale Wohnungsbau für Investoren interessant."

Denn die Krux sei: Um die Mindest-Kosten im Wohnungsbau durch spätere Mieteinnahmen zu decken, müssten in der Regel Mietzinsen von neun bis elf Euro je Quadratmeter erzielt werden. Das sei in Ballungsräumen möglich. Abseits davon wie im Kreis Calw und seinen Kommunen seien dagegen nur maximal sechs bis sieben Euro zu realisieren. Gerade, wenn die Sozialkassen – vertreten durch die Landkreise – für die Wohnungskosten etwa über SGBII-Leistungen aufkämen.

Um unter diesen Rahmenbedingungen trotzdem neue bezahlbare Wohnungen bauen zu können, "muss Geld ins System", so Großmann. Und zwar entweder über höhere Sozialleistungen (des Kreises) in Form von höheren Mietzuschüssen. Oder durch Investitionszulagen und Netto-Steuervorteile von Seiten des Staates für die Investoren. Was aktuell als Hilfe so gut wie nicht greift: Zinszuschüsse für Investoren – weil am Kapitalmarkt derzeit sowieso so gut wie keine Zinsen mehr gezahlt werden.

"Geld für Investitionen ist reichlich vorhanden"

Was andererseits auch die gute Nachricht sei, so Großmann. "Geld für Investitionen in den sozialen Wohnungsbau ist reichlich vorhanden." Aber alle würden im Moment "mit angezogener Handbremse" auf die Entscheidungen im Bund und vor allem im Land warten, wie angesichts der aktuellen Situation die öffentliche Hand nun tatsächlich "mehr Geld ins System" bringen wird.

Der Status-quo in diesem Bereich: Seit der Föderalismusreform kümmern sich die jeweiligen Bundesländer in Eigenregie um den sozialen Wohnungsbau. Und erhalten dafür Geld vom Bund.

Allerdings: Es steht den Ländern grundsätzlich frei, diese Finanzmittel auch für andere Zwecke zu verwenden. Erst im vergangenem Herbst hatten die Länder, nachdem der Bund die Mittel kurzfristig von 518 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro erhöht hatte, jedoch verbindlich zugesagt, dieses Geld auch ausschließlich für Sozialwohnungen zu verwenden.

Doch speziell in Baden-Württemberg ist dieses Geld noch nicht bei den Empfängern angekommen. Nach Ansicht von Jürgen Großmann werde sich das aber sehr bald ändern. "Ich rechne damit, dass das Land hier noch vor der Wahl einen echten Knaller setzen wird." Denn die Förderpläne seien nach seiner Kenntnis bereits fertig in den Schubladen. Und damit bis nach der Wahl zu warten, mache keinen Sinn.

Bis zu 300 Wohnungen kurzfristig möglich

Was dann folgen könnte, könnte sich zu einem echten – speziell für Nagold weiteren – Bauboom auswachsen. Schließlich rechnet Landrat Helmut Riegger allein für den Kreis Calw mit dem kurzfristigen Bedarf von über 1000 Wohnungen schon im laufenden Jahr.

Nagolds OB Großmann machen diese Zahlen nicht nervös. "Das können wir", sagt er – wenn auch nicht ganz so schnell. Von Planungsbeginn bis Fertigstellung werde so ein Wohnbauprojekt in der Regel zwei Jahre brauchen. Aber für Nagold könne er sagen: allein hier sei man kurzfristig auf den Neubau von 200 bis 300 (Miet-)Wohnungen für alle unteren Einkommensschichten – ausdrücklich: nicht nur für Flüchtlinge – vorbereitet. Grundstücke seien überall in der Stadt, speziell aber natürlich am Ried- und Hasenbrunnen (ehemalige Deckenfabrik und Messe), vorhanden und baurechtlich auch ausgewiesen und erschlossen.

Und auch für die Kreisbau könne er mitteilen, dass deren nächstes Projekt in Calw-Stammheim ausschließlich Mietwohnen vorbehalten sein werde. Er könne daher für alle Beteiligten sagen: "Der soziale Wohnungsbau genießt derzeit überall die höchste Priorität."