Zum 25. Mal lud die Stadt Nagold zum Wirtschaftsgespräch – dieses Mal in der Kaderschmiede der Textil- und Schuhbranche, in die LDT. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaftsgespräch: Stadtoberhaupt Jürgen Großmann verbreitete gestern Abend fast nur gute Nachrichten

Die Gewerbesteuer sprudelt, die Zahl der Arbeitsplätze übersteigt wohl bald die 11000-er-Marke: Der Wirtschaftsstandort Nagold boomt. Entsprechend gut war die Stimmung gestern Abend beim 25. Wirtschaftsgespräch. Wenn da nicht ein kleiner Wermutstropfen gewesen wäre.

Nagold. Der Termin ist seit einem Vierteljahrhundert fest im Nagolder Kalender verankert: Einmal im Jahr schart das amtierende Stadtoberhaupt die Unternehmerschaft um sich – zum lockeren Gedankenaustausch und zur Standortbestimmung.

Und doch war es dieses Jahr eine Premiere: Die LDT, Kaderschmiede für die Elite der Textil- und Schuhbranche in Deutschland, existiert zwar in Nagold schon seit dem Jahr 1952, doch eine offizielle Veranstaltung der Stadt fand noch nie in ihren Mauern statt. Um so mehr freuten sich die beiden Geschäftsführer Manfred Mroz und Rüdiger Jung, den Nagolder Unternehmern ihre Bildungseinrichtung vorzustellen, die seit Bestehen schon 20 000 Absolventen zählte. Jährlich werden an der Schule am Vogelsangweg 500 Studenten und weitere 200 Absolventen für Führungsjobs in der Branche ausgebildet. Was man werden kann, wenn man die LDT durchlaufen hat, zeigen bekannte Namen: Werner Böck, Gründer von Marc O’Polo, hat hier genauso studiert wie Sabine Märtens, die im Vertrieb bei Boss Women das Sagen hat. Die Botschaft, die OB Großmann mit der Wahl dieses Gastgebers vermitteln wollte: "Wir haben hier einen echten Edelstein."

Kein Wirtschaftsgespräch ohne brandaktuelle Zahlen: Nagold zählt mittlerweile 22584 Einwohner, auch wenn das Statistische Landesamt fast 1000 weniger registriert hat. Großmann süffisant: "Die kommen nicht hinterher." Ähnlich rasant die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen vor Ort: Vor sechs Jahren kratzte man an der 10 000er-Marke, jetzt ist Nagold auf dem besten Weg, die 11 000 zu knacken: "Und das bei 22 000 Einwohnern!"

Doch die Menschen, die in Nagold Arbeit suchen, wollen auch hier wohnen. Und die Zahl der Bewerber um einen Bauplatz übertrifft das Angebot um ein Mehrfaches. Beispiel Mindersbach: Auf 13 Bauplätze gibt’s hier 31 Bewerber, 15 aus Nagold, 16 von außerhalb. Noch deutlicher wird der Nachfragedruck auf dem Oberen Steinberg: Auf acht Bauplätze kommen hier 75 Kandidaten.

Großmann will deswegen die Erschließung von neuen Baugebieten vorantreiben und in den nächsten zwei Jahren 100 Bauplätze anbieten – den Großteil davon im Hasenbrunnen im Iselhäuser Tal, aber auch in Emmingen und Vollmaringen.

Und Nagold schafft Platz für Neuansiedlungen. Das Stadtoberhaupt berichtete gestern Abend von vielversprechenden Gesprächen mit zwei großen Unternehmen aus der Region Stuttgart, die sich im ING-Park auf dem Eisberg niederlassen wollen. Hier, direkt an der Bundesstraße, habe man ganz bewusst Gelände vorgehalten "für besondere Betriebe mit etwas Glanz". Großmann ist überzeugt, dass er bald Erfolgsmeldungen verkünden kann. Derweil laufen Planungen, den Industriepark weiter zu arrondieren – Richtung Unterjettingen. Denn: "Ein solches Gebiet, in dem man rund um die Uhr produzieren kann und zudem mit besten Verkehrsanbindungen, gibt’s nur einmal im Kreis."

Den Boom spürt auch der Stadtkämmerer: Mit 14 Millionen Euro Gewerbesteuer hatte man heuer gerechnet: "Jetzt liegen wir schon eine Million drüber – und das Jahr ist noch nicht vorbei", konstatierte das Stadtoberhaupt zufrieden. Und die Unternehmer, die das alles bezahlen, lächelten unten im Auditorium.

Optimistisch zeigte sich der OB sowohl beim Thema Nagolder Schienenanschluss an die Region Stuttgart wie auch mit Blick auf die bereits bestehende Kooperation mit der Hochschule in Pforzheim, die in eine Nagolder Außenstelle münden könne. Dabei warb der OB um die Unterstützung aus der Wirtschaft.

Bevor er mit Georg Pamboukis einen Unternehmer ehrte, der mit seiner Firma GPI (wie berichtet) es in einem Innovationswettbewerb als erste Nagolder Firma überhaupt unter die Top 100 geschafft hat, musste Großmann noch einen Wermutstropfen in den Freudenbecher gießen, der nicht allen Firmenlenkern schmeckte: Auf Nagold kommt eine Großbaustelle zu.

Die Bundesstraße B 463 wird gleich an mehreren Stellen saniert. Deswegen wird es bereits ab 24. Juli auf der ersten Teilstrecke zwischen der Abzweigung nach Mindersbach und der Firma Graf zu einer Vollsperrung kommen, die voraussichtlich bis Oktober andauert.

Unmittelbar daran schließt sich die Baustelle von der Calwer Straße bis zur Kreuzung Lange Straße an. Wieder eine Vollsperrung, bis der Winter die Bauarbeiter zur Pause zwingt.

Der letzte Bauabschnitt von der Aral-Tankstelle bis nach Iselshausen soll dann erst im nächsten Jahr folgen. Großmann sah in ungläubige Gesichter, am Sinn dieser Mega-Baustelle zweifelnd. Aber: "Wenn der Bund diese Straße sanieren will, sagen wir nicht Nein. Durch dieses Nadelöhr müssen wir durch."