Die reife Musikalität der Violinistin Michiru Matsuyama versetzte das Publikum ebenso ins Staunen wie das exzellente Tastenspiel von Evgueny Sinaiski. Foto: Kosowska Foto: Schwarzwälder-Bote

Meisterkurs-Teilnehmer gestaltet beeindruckenden Konzertabend im Kubus

Von Maria Kosowska-Németh

Nagold. Das vorletzte Sommermusik-Konzert in diesem Jahr erblühte zu einer Glanzleistung – und zwar im doppelten Sinne. Zu einem bereiteten die jungen Teilnehmer des Meisterkurses von Vadim Gluzman einen Ohrenschmaus mit erstklassigen Darbietungen, zum anderen versuchte der Maestro die Publikumsaufmerksamkeit durch den eigenen Auftritt gleich zum Konzertauftakt quasi von sich selbst abzulenken und auf seine Kursteilnehmer zu richten.

Dieser taktische Coup gelang nur soweit, weil das Publikum auch durch Bravorufe und heftigen Beifall keine Zugabe erwirken konnte. Gluzman begeisterte die Zuhörer restlos, er offenbarte mit seinem vom intensiven Vibrato getränkten, edlen und brillanten Stradivari-Klang in "Meditation" von Peter Tschaikowski eine wahre Kunst der Phrasierung, deren Aussagekraft in Verbindung mit der nicht versüßten Kantilene stellenweise an die Lenski-Arie erinnerte.

In der Rhapsodie "Tzigane" von Maurice Ravel, einem der anspruchsvollsten Werke der Violinliteratur, porträtierte Gluzman höchst virtuos das verträumte und doch unbändige Wesen des Wandervolkes. Ein unsichtbarer Faden der musikalischen Sensibilität verband ihn mit seinem gleichaltrigen Freund, Pianisten Evgueny Sinaiski (sie kennen sich seit früher Kindheit), gemeinsam interpretierten sie die feuerspeiende Musik im geradezu unheimlichen Einklang, ohne Hast, leichtfüßig und doch an der Grenze des technisch Möglichen.

Sinaiski sehe sich selbst – absolut zu Recht – nicht nur als Korrepetitor, sondern als gleichrangiger Mitgestalter der interpretatorischen Idee des Solisten. Als Klavierpartner von Alexandra Korobkina begleitete er sie im Aufstieg auf die Gipfel der Emotionalität im "Großes Adagio" von Alexander Glazunov. Korobkina spielte mit sonorem, reich mit Vibrato verzierten Klang, der zeitweise ein wenig pathetisch wirkte, dafür aber in höchsten Lagen eine ausgezeichnete Qualität zutage brachte.

Im 5. Violinkonzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart fiel Sinaiski die klassische Orchesterrolle zu, und auf dem spärlichen Klavier-Hintergrund entfaltete der Solist Boris Pavlovsky sein klares Spielprofil von optimaler Technik und galanter Leichtigkeit.

Begleitet nur von ihrem musikalischen Instinkt interpretierte Geigerin Milica Zulus drei Sätze aus der Partita Nr. 3 E-Dur von Johann Sebastian Bach. Im kontrastreichen Solospiel hob sie viele verborgene Details der komplexen Polyphonie des Loure hervor, schreckte nicht vor sinnvoll eingesetzten, fast zänkischen Bogenstrichen im Preludio zurück und amüsierte sich selbst mit dem elegant-windigen Reiz der Gavotte.

Auch die Geigerin Katarzyna Seremak profitierte viel von der Kursarbeit mit Vadim Gluzman. Der Meister sei sehr anspruchsvoll gewesen, besonders in puncto Dynamik. Und sie habe Bedenken gehabt, wie das Publikum die Solosonate Nr. 2 von Grazyna Bacewicz annehmen würde, doch sogar die Skeptiker waren angetan von der Linienklarheit der modernen polnischen Komposition, dem interpretatorischen Einfallsreichtum der Geigerin und ihrem von Dissonanzen umwobenen, sensiblen Klang.

Ein ganzes Arsenal von einwandfrei ausgeführten technischen Raffinessen, aber auch die reife Musikalität der Violinistin Michiru Matsuyama versetzte das Publikum ins Staunen. Nach der solistischen, emotional abgestuften Einleitung erklang die Grundmelodie aus den "Variationen über ein Originalthema" von Henryk Wieniawski leicht wie ein Pariser Couplet, dann folgte ein technisches Feuerwerk aus Passagen, Doppelgriffen und Flageoletten in brillanter Qualität. Wieder mal war Sinaiskis Feingespür gefragt und so erlebten die Zuhörer zum letzten Mal an diesem Abend eine musikalische Produktion auf derselben Wellenlänge.