Gewerkschaftssekretär Josef Bechtel rief im Nagolder Naturfreundehaus zu mehr Solidarität auf. Foto: Kunert

Josef Bechtel bei Maikundgebung: Auch im Nordschwarzwald unterdrücken Unternehmen Arbeitnehmer-Rechte.

Nagold - "Mehr Zeit für Solidarität" haben die Gewerkschaften ihre Kundgebungen zum Tag der Arbeit überschrieben – auch im Nagolder Naturfreundehaus. Dort sprach IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Josef "Jupp" Bechtel.

Und der hohe Gast aus Stuttgart war in seiner Rede vor den aus den Kreisen Calw, Freudenstadt und Rottweil angereisten Gewerkschafts-Kollegen rhetorisch voll auf Kampf eingestellt – obwohl es den Gewerkschaften doch eigentlich aktuell richtig gut gehen müsste: Noch nie waren Arbeitskräfte so wertvoll wie heute – angesichts der Quasi-Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt hierzulande. Und noch nie war soviel Geld in den Kassen der Arbeitgeber – egal ob gewerblich oder öffentlich.

Trotzdem gehen den Gewerkschaften gerade in dieser zeit die Kampf-Themen nicht aus. Ganz im Gegenteil. Zwar könnten sich die Tarifabschlüsse der letzten Tage zum Beispiel im öffentlichen Dienst "wirklich sehen lassen".

"Mit allen Mitteln" zurück zur Tarifbindung

Aber auf der anderen Seite würden immer mehr Arbeitgeber – vor allem auch im Nordschwarzwald - "mit unverhohlener Dreistigkeit" die Rechte der Arbeitnehmer unterdrücken. Ein Beispiel, das Dorothée Diem als Erste Bevollmächtigte der IG Metall bereits in ihrer Begrüßungsrede genannt hatte: ein Unternehmen in Schramberg, das mit aller Macht die Gründung eines frei gewählten Betriebsrats verhindern wolle. Und Mitarbeitern, die auf ihr Recht bestünden, mit Kündigung drohe.

Ein weiteres Beispiel aus Schramberg, das IG-Metall-Mann Bechtel explizit nannte: ein dort ansässiges Elektronik-Unternehmen, das bereits 1997 aus dem Arbeitgeberverband – und damit aus der Tarifbindung – ausgetreten sei und heute mit Löhnen 20 Prozent unter dem allgemeinen Lohnniveau arbeite. Bechtel kündigte an, dass die IG Metall die Tarifbindung "mit allen Mitteln" auch in diesem Betrieb wieder durchsetzen werde – das sei "so sicher wie das Amen in der Kirche." Als Zeichen auch für die gesamte Branche, dass man die weitere Aushöhlung der Errungenschaften aus 125 Jahren IG-Metall-Geschichte niemals akzeptieren werde.

Extrem kritische und kämpferische Töne dann auch beim Thema AfD – wobei Bechtel eingestand, dass ausgerechnet jüngere Wähler aus den eigenen Reihen "häufiger als im Bundesdurchschnitt" die AfD gewählt hätten. Wohl "aus einer Mischung von Verunsicherung, Abstiegsängsten" und einer "Unzufriedenheit mit der Politik der letzten Jahre". Die Forderung der Gewerkschaften an alle gesellschaftlichen Kräfte "jenseits der AfD" laute daher: Rückkehr zu einer Solidaritäts-Gemeinschaft, von der alle Einkommensschichten profitierten – und nicht nur wie bisher "die Superreichen". Damit sich nicht immer mehr Menschen abgehängt fühlten von der Politik.

Der zweite Teil der Veranstaltung gehört dem Familienfest

Nur so, mit einem Mehr an ökonomischer Gerechtigkeit, könne nicht nur hierzulande dem zunehmenden Erfolg der "extremen rechten Kräfte" effektiv entgegengewirkt werden.

Doch nicht nur nach "Kampf" war den Gewerkschaftlern am 1. Mai zu Mute. Daher gehörte der zweite Teil der Nagolder Veranstaltung ganz dem Familienfest im und rund um dem Naturfreundehaus. Wobei sich das Wetter – nach der komplett verhagelten Veranstaltung im vergangenem Jahr – diesmal hielt. Und man zu den schwofigen Rhythmen des Cover-Trios "GoN – Guest of Nature" mal alle Probleme dieser Welt für einen Nachmittag lang vergessen konnte.