Birgit Pfaff, Connie Hildebrandt-Büchler und Ulrich Mansfeld lasen aus verschiedenen Büchern. Foto: Rennig Foto: Schwarzwälder-Bote

Literatur: "Nagold liest" im "Mykonos" / Leseteam des Bürgerforums hat fast 50 Zuhörer

Von Barbara Rennig

Dass "fremdgehen" nicht zwangsläufig mit einem Seitensprung zu tun hat, konnten die fast 50 Zuhörer der jüngsten Veranstaltung des AK Kultur im Bürgerforum erfahren, die sich im Restaurant "Mykonos" zu "Nagold liest und geht fremd" einfanden.

Nagold. Auf ganz vielfältige Weise schauten die Vorleser Connie Hildebrandt-Büchler, Birgit Pfaff und Ulrich Mansfeld symbolisch über den heimischen Tellerrand hinaus und nahmen das Publikum auf eine Reise mit, in der ebenso kulinarische Liebschaften eine Rolle spielten. In die Fremde gehen heißt auch: seine Heimat verlassen (müssen), seiner Familie abhanden kommen, wie der Protagonist des Romans "Sophia". Ulrich Mansfeld stellte den 1946 in Damaskus gebürtigen arabisch-deutschen Autor Rafik Schami vor, selbst Lebenswanderer zwischen ganz unterschiedlichen Welten, der dies im zerrissenen Weg seiner Hauptperson Salman spiegelt: Die Entwurzelung, die Sehnsucht nach der Heimat, die Dualität zwischen Sprachen, Religionen, Sitten und Gebräuchen.

"Roman über eine verlorene Welt"

Mit dem vielschichtigen "Roman über eine verlorene Welt" nahm Vorleser Mansfeld die Zuhörer auf Stationen im Leben Salmans mit, der nach Jahrzehnten in der Fremde seine Heimat Syrien erschreckend verändert vorfindet. Spannend auch der zweite Beitrag von Connie Hildebrandt-Büchler über die polyglotte Helena Hencken, die 2013 allein den Iran bereiste und ihre Erlebnisse in "We would rock" schildert, als Reminiszenz an fast 60 Tage im ehemaligen Persien, 80 Einladungen, Hunderte Tassen Tee und die Gastfreundschaft der Einheimischen in arabischer Manier von hinten nach vorne, von rechts nach links zu lesen. Mit der erheiternden "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" (Heinrich Böll) setzte Birgit Pfaff einen Akzent vor der Lesepause, ehe Köstlichkeiten aus der griechischen Küche kredenzt wurden.

Mit Dorothea Keulers "Provokante Weibsbilder" (Lebensläufe von Frauen in Württemberg) setzte Connie Hildebrandt-Büchler die Reise fort – ins frühe 18. Jahrhundert, zu der Begegnung zwischen der Waise Luziana und Joseph Süßkind Oppenheimer, Finanzberater des württembergischen Herzogs Alexander. In Zeiten strenger Standes- und Konfessionsgrenzen kann ihre Verbindung weder geheim bleiben, noch standhalten. Als Oppenheimer hingerichtet wird, verliert die der Unzucht bezichtigte Luziana alles: ihr Kind, ihren Gefährten, ihren Lebensmittelpunkt.

Der vor kurzem verstorbene Roger Willemsen war nicht nur ein Mensch, der zwischen Patagonien und Alaska alle Erdteile bereiste, sondern auch ein brillant mit der Sprache spielender Autor, aus dessen "Enden der Welt" Ulrich Mansfeld las.

"Enden" ist dabei durchaus in mehrfachem Sinn zu verstehen: Als geografische Größe, aber auch als Schlusspunkt von Beziehungen. Die Zuhörer erlebten die Wanderung einer Gruppe verkaterter Freunde am Neujahrsmorgen in "die neinsagende Landschaft" der verschneiten Eifel hinein. Um penetrante Petersilie geht es unter anderem in "Kulinarische Liebschaften" von Andreas Staikos, vorgestellt von Birgit Pfaff: Dimitris und Damoklis, Nachbarn und leidenschaftliche Köche, wetteifern um Nana, in die sie beide verliebt sind: Dem erheiternden Duell kann der Leser ebenso mit dem Ausprobieren der mit veröffentlichten Rezepte folgen.

Reichlich Beifall für einen langen Leseabend

Wenn man sich trotz der breiten Palette an Beiträgen auch hier und da etwas Straffung gewünscht hätte, quittierte das Publikum den langen Leseabend mit reichem Beifall.