Der Arbeitskreis Asyl findet viele Unterstützer: Hier übergeben Daniel Alber, Fußballabteilungsleiter des SV Vollmaringen, und sein Mannschaftskapitän Christian Schweikert (Mitte) einen Satz Fußballtrikots samt nagelneuen Fußbällen an das Spendenmagazin – sehr zur Freude der Flüchtlinge im Heim Waldeck. Fotos: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Integration: Arbeitskreis Asyl steht den Bewohnern im Heim Waldeck auch mit ärztlicher Versorgung bei

Integrationsarbeit hat viele Facetten. Wer wüsste das nicht besser als der Nagolder Arbeitskreis Asyl, der im Flüchtlingsheim Waldeck ehrenamtlich Großes leistet: vom Deutschkurs bis hin zur ärztlichen Versorgung. Manchmal steckt aber auch richtige Knochenarbeit dahinter.

Nagold. Das Spendenmagazin, aus dem sich die Bewohner des Heimes mit Kleidung bedienen können, war bis zum Sommer im Keller des Heimes untergebracht, wo Schimmel und Sporen gedeihten. Fünf Ehrenamtliche bekamen deswegen Lungenprobleme. "Aber wir wollten nicht lungenkrank werden im Ehrenamt", sagt Margret Alber, seit drei Jahren im Arbeitskreis aktiv. Das unmissverständliche Signal ans Landratsamt: "Wenn wir keine anderen Räume bekommen, hören wir auf."

Das zeigte Wirkung. In der Sommerpause zog das Magazin in vier von den Ehrenamtlichen in mühevoller Eigenarbeit hergerichtete Räume im Obergeschoss, die frei geworden waren, weil sich die Flüchtlingslage entspannt hatte. Tatkräftige Unterstützung kam von den beiden Hausmeistern und von Sozialarbeiter David Kusnadi. Durch den Umzug gewann man nicht nur eine kleine gemütliche Sitzecke hinzu, in der sich die Flüchtlingsfrauen regelmäßig treffen, austauschen und entspannen können, sondern vor allem ein Raum für die ärztliche Versorgung.

Mit Karl-Heinz Rink und Viktor Maier hat der Arbeitskreis zwei pensionierte Mediziner in seinen Reihen, die ehrenamtlich die klaffende Lücke in der ärztlichen Versorgung der Heimbewohner schließen. "Die Leute sind relativ hilfslos", weiß Rink aus Erfahrung. Weil die Flüchtlinge mit dem ärztlichen System hierzulande nicht vertraut sind, riefen sie in ihrer Not vielfach den Notarzt, weil sie sich nicht anders zu helfen wussten. Seit sich die beiden Ärzte den 180 Bewohnern des Heimes angenommen haben, hat sich diese Situation deutlich entschärft.

Viele Arztpraxen blocken bei dem Wort Flüchtling ab

Aber ein Manko blieb: Es fehlte ein Behandlungsraum. Oft musste die Untersuchung auf dem Flur oder ohne Schutz der Privatsphäre mitten in den bewohnten Räumen stattfinden. Mit dem Umzug hat sich auch dieses Problem gelöst. Rink, früherer Kinderarzt, und seinem Kollegen Viktor Maier steht jetzt ein kleiner, diskreter Raum für die ärztliche Versorgung zur Verfügung. Viele Nöte hätten sie schon gelindert, Ängste seien genommen worden, sagt Helga Mühleisen, nimmermüde Vorsitzende des Arbeitskreises.

Aber mit der Erstuntersuchung fängt die Arbeit der beiden Ärzte erst richtig an: Weil sie als Pensionäre Rezepte und Überweisungen nicht mehr ausstellen dürfen, stellen sie den Kontakt zu den Arztpraxen her. Und das ist nicht immer einfach. Viele niedergelassene Ärzte fürchten offenbar die anfallende Bürokratie und blocken ab, sobald die Flüchtlinge als Patienten anklopfen. "Jede Arztpraxis hat eine andere Erklärung, wieso sie den Flüchtling nicht nehmen kann", konstatiert Helga Mühleisen. Vor allem bei Zahnärzten sei dies eklatant auffällig.

Aber es gibt auch positive Beispiele: Bei einem Kind, das aus der Erstaufnahmestelle Mannheim nach Nagold kam, wurde ein Hodentumor festgestellt. Rink kümmerte sich darum. Das Kind wurde in Tübingen operiert, der Tumor stellte sich als gutartig heraus. Der kleine Patient lebt heute kerngesund im Heim.

"Das, was hier getan wird, ist etwas wert", sagt Karl-Heinz Rink und erntet von seinen Mitstreitern Zustimmung. Und die Flüchtlinge geben den Ehrenamtlichen viel zurück, laden sie dankbar ein zu ihren privaten Festen im Heim, kochen für sie einheimische Gerichte oder backen Brot für sie.

Und diese Empathie steckt an: Amar Hadzipasic, ein deutscher Junge mit bosnischen Wurzeln, macht im Heim Waldeck derzeit sein Schulpraktikum und hilft auch im Magazin mit. Er ist von der Arbeit der Ehrenamtlichen so angetan, dass er sich über das Praktikum hinaus im Waldeck freiwillig engagieren will.

 Belegung

Derzeit leben 180 Menschen in der Nagolder Gemeinschaftsunterkunft, davon 60 im Neubau. Die älteste Einwohnerin ist 76 Jahre, die Jüngste zwei Monate alt. Die Kinder gehen in die Zellerschule, in die Lembergschule oder auf die Berufsschule.

 Nationalitäten

23 Prozent der Bewohner sind Syrer, 20 Prozent Iraker, 15 Prozent Afghanen oder Pakistani, 12 Prozent Eriträer, sieben Prozent Iraner. Acht Prozent haben andere Nationalitäten.

 Sprachkurse

Deutsch zu lernen ist für die Flüchtlinge der einzige Weg in die Arbeitswelt. Einsteigerkurse werden vom Landratsamt finanziert und über die VHS angeboten. Aber die Zahl der Anmeldungen übersteigt die Zahl der vorhandenen Kursplätze deutlich. Die Wartezeit auf eine Aufnahme in einen Deutschkurs stellt für viele Flüchtlinge eine harte Geduldsprobe dar.

 Hilfsbereitschaft

Die Spenden- und Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung ist groß. Und das geht oft über das Materielle hinaus: Vor wenigen Wochen wurde eines der Flüchtlingskinder von einem Auto erfasst und brach sich das Bein. Das Mädchen darf wochenlang nicht zur Schule, weil das Bein nicht belastet werden darf. Da meldete sich eine junge Lehrerin. Weil ihr Referendariat erst im Januar beginnen wird, fragte sie an, ob sie bis dahin etwas tun könne. Jetzt ist sie für dieses Mädchen die Privatlehrerin.

 Probleme

Natürlich, konstatiert Helga Mühleisen vom AK Asyl, gebe es auch Streit, Polizeieinsätze und Kriseninvestitionen. Aber die Flüchtlinge, deren Sorgen und Probleme ernst genommen würden, fassten Vertrauen und revanchierten sich. So wie ein Flüchtling, der in Nagold 30 Euro fand und das Geld nicht behielt, sondern zum Sozialarbeiter brachte. Für ihn sei dies selbstverständlich gewesen.

Im Kleidermagazin des Arbeitskreises Asyl im Heim Waldeck sind Kleiderspenden immer willkommen. Auch der SV Vollmaringen wollte helfen. "Fußball verbindet doch international und religionsübergreifend", sagt Abteilungsleiter Daniel Alber. Was lag also näher, als die übrig geblieben Sportlertrikots, die sich im Laufe der Jahre angehäuft hatten, samt neuer Bälle den Flüchtlingen in Nagold zu spenden. Gebraucht werden im Magazin vor allem Männerkleidung in den Größen S und M. Auch fahrtüchtige Fahrräder werden gerne angenommen. Die beiden ehrenamtlich engagierten Mediziner Viktor Maier und Karl-Heinz Rink könnten vor allem Schmerzmittel und Verbandsmaterial für ihre Arbeit gebrauchen. Kontaktaufnahme unter ak.asyl@gmx.de