Enten brüten auf Balkonen in der Innenstadt ihre Eier aus (kleines Bild) und an der Waldach hat sich sogar ein Schwan eingenistet. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

In Nagold brütet am Waldachufer zum ersten Mal ein Schwan

Von Dunja Smaoui

Nagold. Hoch oben über den Dächern der Stadt, wo das bunte und laute Leben pulsiert, hat sich ein Pärchen auf einer Dachterrasse ganz besonders schön eingerichtet. Für sie ist es der perfekte Ort, um die Kinder großzuziehen – in einem großen Blumenkübel.

"Zuerst war nur ein Ei in dem Kübel"

Vorsichtig späht Helmut Raaf in seinen braunen Blumentopf, in dem das buschige Gewächs bereits blüht. Mit dem Zeigefinger deutet er auf das kleine Weiße, das leicht verdeckt im Schatten der großen Pflanze liegt. "Das ist ein Entenei", sagt er leise. Auf der Dachterrasse, direkt über seinem Schuhgeschäft in der Marktstraße, habe er mit seiner Frau Karola das Ei "erst heute hier entdeckt".

Die langersehnte Frühlingssonne verbreitet wohlige Wärme. "Da braucht die Ente gar nicht auf dem Ei zu sitzen", sagt Hobby-Ornithologe Klaus Drissner lachend. "Das Ei bleibt auch so warm." Es sei ein ungewöhnlicher Ort zum Brüten, überlegt Raaf. Das habe er selbst noch nie gesehen.

Dem gleichen – oder einem anderen – Entenpaar reicht der Blumenkübel als kreative Brutstätte jedoch nicht aus, sodass es sich noch eine weitere ungewöhnliche Stelle ausgesucht hat: einen Blumentrog an der seitlichen Hauswand des Café Gauß, ebenfalls in der Marktstraße.

"Zuerst war nur ein Ei in dem Kübel", erzählt Helmut Raaf begeistert. "Aber inzwischen sind es schon neun Stück." Klaus Drissner wundert sich: "Der Kübel steht direkt am Fußgängerweg", sagt er und schüttelt den Kopf. "Da kommen so viele Leute vorbei. Ich bin wirklich gespannt, ob das gut geht." Die warmen Eier liegen mit dunklem Flaum bedeckt unter der Pflanze. Im Vorbeigehen fallen sie kaum auf.

Das eigentlich Außergewöhnliche spielt sich allerdings noch ein paar Schritte weiter an der Waldach ab. Gegenüber vom Hotel Adler hat sich am Uferrand des Flusses ein Schwan eingenistet. "Das ist das erste Mal, dass ein Schwan in Nagold nistet", weiß Drissner. "Normalerweise ziehen sie sich an ruhige Gewässer und an Seen zurück. Hier am Durchgangsweg ist das wirklich sehr außergewöhnlich." Aber wie kommt es dazu, dass die Tiere an so ungewöhnlichen Orten brüten?

"Die entschleunigte Stadt zieht jetzt auch Tiere an", sagt Helmut Raaf und gestikuliert begeistert mit seinen Händen. Drissner stimmt ihm zu. Der Gedanke ist auch für den Hobby-Ornithologen und Modehaus Reichert-Chef gar nicht mal so verquer. "Die Tiere passen sich dem demografischen Wandel genauso wie wir auch an", sagt er. Dass Enten auf Balkonen und Terrassen in Blumenkübeln brüten, das komme immer wieder vor. "Ich vermute, die Enten haben erkannt, dass Balkone und Terrassen sichere Orte sind."

Helmut Raaf fügt hinzu: "Die Tiere machen es uns vor. Nagold ist eine Stadt für junge Leute und bietet eine tolle Wohnlage." Klaus Drissner schmunzelt. "Die Grüne Urbanität hat sich inzwischen wohl bis zu den Enten durchgesprochen."

Der Schwan macht es dem Entenpaar gleich, baut sein Nest inmitten der entschleunigten Stadt und fühlt sich sichtlich wohl und sicher. Vorsichtshalber hat die Stadt am Ufer eine Absperrung aufgestellt. Klaus Drissner erklärt warum: "So kann man von oben nicht direkt auf das Nest herunterschauen und die Schwäne haben ihre Ruhe."