Unter den Erwartungen blieb der Besuch bei den großen Konzerten des Nagolder Sommerzaubers. Nun geht es an die Aufarbeitung der verlustvollen Veranstaltungsreihe. Foto: Fritsch

Bei Aufarbeitung des Sommerzaubers mit seinem finanziellen Debakel ziehen nicht alle am selben Strang. Mit Kommentar.

Nagold - An diesen politischen Stil muss sich OB Jürgen Großmann zuerst noch gewöhnen. Bei der politischen Aufarbeitung des Sommerzaubers, der – wie berichtet – mit einem finanziellen Debakel endete, scheren Gemeinderäte aus und erheben öffentlich Vorwürfe. Das Stadtoberhaupt reagiert verschnupft: "Keiner hat das Recht, Ohrfeigen zu verteilen."

Dass dieses sommerliche Kulturfestival die Stadt mit 286 .000 Euro wesentlich teurer kommt als geplant, diese Nachricht, die eigentlich vorerst unter Verschluss bleiben sollte, nahmen die Nagolder mit stoischer Gelassenheit auf. Kein Anruf in der Redaktion, kein Leserbrief aus der Bürgerschaft. Stattdessen meldeten sich zwei Fraktionen mit Stellungnahmen zu Wort: Zuerst die Grünen, die jede Verantwortung für das Desaster ablehnten, weil sie das Finanzierungskonzept ursprünglich abgelehnt hatten. Dabei hatte ihr damaliger Fraktionschef Jürgen Gutekunst von der FDP, mit der die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode verbandelt waren, in der entscheidenden Hauptausschusssitzung des Cityvereins das Konzept und auch die Zuschusshöhe mit abgesegnet. Drei Räte von der SPD, voran Daniel Steinrode, verlangen heute in einer Stellungnahme "vollständige Aufklärung" des Finanzfiaskos und drohen damit, Steuererhöhungen ansonsten nicht mitzutragen.

Dieser neue Stil im Gemeinderat stößt bei den Kollegen sauer auf. Eberhard Haizmann, Fraktionschef der Freien Wähler, hält es jedenfalls für "total bescheuert, wenn man sich gegenseitig auf den Kopf haut". Zuerst müsse man aufklären statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, denn: "Wir stehen in dieser Sache alle in der Verantwortung als Gemeinderäte." Selbst Rainer Schmid, der der SPD-Fraktion vorsteht, distanziert sich von der Stellungnahme seiner drei Genossen: "Dieser Leserbrief kann in dieser Form nicht vom Rest der Fraktion mitgetragen werden", erklärte er gestern auf Anfrage.

Eines hatten die drei Genossen mit ihrem Brandbrief indes erreicht: Oberbürgermeister Jürgen Großmann scharte alle verantwortlichen Akteure des Sommerzaubers – also von der Stadt, vom Cityverein und von dem Unternehmen "Betrieb hoch 3" – gestern zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz um sich, um vor allem eines zu betonen: "Wir sind gemeinsam gestartet und wir werden diese Sache gemeinsam aufklären."

Einen politischen Fehler kreidet das Stadtoberhaupt sich selbst an, nämlich das Heft des Handelns aus der Hand gegeben zu haben, als man dem Cityverein und "Betrieb hoch 3" die Durchführung des Sommerfestivals übertrug. Er habe allen Akteuren nach eigenen Worten ein "zu großes Grundvertrauen" entgegen gebracht. Aus heutiger Sicht hätte er die Organisation stärker ans Rathaus gebunden, um schneller einschreiten zu können, "wenn etwas schief läuft".

Aber auch fast alle anderen Akteure räumen Fehler ein. Helmut Raaf als Vorsitzender des Cityvereins nimmt es auf seine Kappe, dass weder das rechnerische noch das technische Controlling, wie im Hauptausschuss beschlossen, auch tatsächlich umgesetzt wurden. Der städtische Rechnungsprüfer Ernst Schanz bekam die – unstrittig fehlerhaften – Kalkulationen der Event-Manager im Vorfeld nie zu Gesicht. Und CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäfer räumt selbstkritisch ein, dass im Hauptausschuss des Cityvereins, dem auch der SPD-Stadtrat Daniel Steinrode angehörte, die irreführenden Zahlen niemandem aufgefallen seien.

Mit seinen 10 000 Besuchern, konstatiert Schäfer, sei der Sommerzauber nach seinem Dafürhalten nichtsdestotrotz ein Erfolg gewesen, der freilich von der finanziellen Tragödie überdeckt werde. Schäfer: "Kein Verständnis habe ich aber, wenn man versucht, daraus ein Süppchen zu kochen, vor allem, wenn man weiß, dass Stadtrat Steinrode an der entscheidenden Sitzung nicht anwesend war."

Einig waren sich bei der gestrigen Pressekonferenz alle in einem Punkt: Den Sommerzauber deswegen für alle Zeiten zu begraben, halten sie für falsch. "Die Idee ist nach wie vor gut", sagt OB Großmann. Und auch Peter Elter, Geschäftsführer von "Betrieb hoch 3", bleibt dabei: "Der Sommerzauber hat in Nagold seine Berechtigung."

In einer eigens dafür gegründeten Arbeitsgruppe, der neben den Verantwortlichen der Stadt und des Cityvereins auch die Stadträte Ulrich Mansfeld (FDP), Ulrich Hamann (FWV), Brigitte Loyal (Grüne) und Wolfgang Schäfer (CDU) angehören – wer von der SPD entsandt wird, ist noch offen, will man das Finanzdebakel dieses Kulturreigens in den nächsten Wochen gründlich aufarbeiten. In einer öffentlichen Gemeinderatssitzung im Dezember sollen dann alle Fakten und Zahlen auf den Tisch kommen.

So lange appelliert OB Großmann an alle Akteure, jetzt "Vernunft walten zu lassen und sich sauber an der Aufklärung zu beteiligen". Er befürchtet nicht ohne Grund, dass ansonsten potenzielle Sponsoren von den öffentlich ausgetragenen Schuldzuweisungen abgeschreckt werden könnten.

Kommentar: Begraben

Roland Buckenmaier

Es ist den politischen Akteuren vielleicht nicht bewusst, aber in diesen Tagen wird in Nagold etwas zu Grabe getragen, was die kommunalpolitische Kultur über mehr als ein Viertel Jahrhundert prägte: der Nagolder Geist. Woanders mochten sich die Kollegen in Kabale und Ränkespielen verstricken, in Nagolds Gemeinderat brachte man sich, sehr zum Vorteil dieser Stadt und ihrer Entwicklung, indes vor allem eines entgegen: Vertrauen. Doch diese gegenseitige Vertrauenswürdigkeit ist mit der Aufarbeitung des Finanzdebakels beim Sommerzauber gleich von mehreren Akteuren aufgekündigt worden. Dass ein Fraktionschef sich von den eigenen Parteifreunden öffentlich distanziert, ist ein Novum und Zeichen für den sich abzeichnenden Wandel vom Pragmatismus zum Populismus. Die Öffentlichkeit schaut diesem Schauspiel belustigt zu, den Schaden aber hat die Stadt.