Mehr als 2500 Tickets verkaufte die Stadt für das Historienspiel "Hildegard". Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgertheater "Hildegard" kann eine staunenswerte erste Bilanz der zwölf Aufführungen auf Hohennagold ziehen

Von Martin Bernklau

Nagold. Es sollte "ein Theater von Bürgern für Bürger" werden. So hatte sich das nicht nur Nagolds Kulturamtsleiterin Dorothee Must vorgestellt. Das wurde es, und es wurde noch viel mehr. Die erste Bilanz von "Hildegard" fällt geradezu makellos aus.

Dabei war dieses ehrgeizige Theater-Unternehmen keinesfalls auf automatisches Gelingen gebucht. Nach dem begeisternden Erfolg von "Hofacker. Hofacker." lag die Messlatte für das weitgehend bei der Stange gebliebene Team und seine neuen Mitstreiter enorm hoch. Bei all dem stabilen Rückhalt in Stadtverwaltung und Bürgerschaft Nagolds musste der Rückenwind durch die Landesgartenschau 2012 ganz aus lokaler Kraft angeschoben, das Feuer allein vor Ort angefacht werden. Der Schauplatz hoch droben über der Stadt – so spitzte es die Regisseurin Isolde Alber noch vor der Premiere zu – war "zwar ein theatralischer Traum, aber auch ein logistischer Alptraum". Die Praxisprüfung konnte nur bestanden werden, weil "alle Mitspieler sich auch als Mithelfer eingebracht haben", so Dorothee Must.

Das unvermeidliche allabendliche Bangen um gutes Wetter war fast umsonst. Es ging auch so. Alle zwölf Freiluft-Aufführungen des von Isolde Alber geschriebenen und inszenierten Stücks um die Gattin Karls des Großen konnten ungestört von widrigem Wind und garstigem Wetter stattfinden. Manchmal zeigte sich die grandiose Kulisse der Burgruine Hohennagold als Zugabe der Natur nicht nur von Abendsonne mild beleuchtet, sondern auch von hochsommerlicher Nachtwärme umweht. Lediglich an einem Sonntag wurde die zweite Hälfte eine etwas feuchtere Angelegenheit für das Ensemble, die Crew und die Zuschauer. Aber auch die meisten Besucher hielten selbst diese Wassertaufe in einem zehnminütigen Schauer durch.

Die sorgsam ausgesuchten Schauplätze waren für höchstens 250 Zuschauer pro Vorstellung ausgelegt. Am Ende konnten sich alle Beteiligten über 2500 verkaufte Tickets freuen – eine sensationelle Auslastung, und insgesamt mehr als bei "Hofacker. Hofacker.". Es gab keine kleinen Katastrophen, nicht einmal nennenswerte Missgeschicke während der Probenmonate und der viertägig verlängerten Aufführungs-Wochenenden. Niemand erkrankte, selbst nach dem einen nassen Sonntag nicht, wo es hernach vor allem galt, die verdreckten Kostüme und Requisiten gründlich zu waschen.

Als einmal ein nicht ganz unwichtiger Nebendarsteller während der Pause per Handy zu einer dringenden Familienangelegenheit gerufen wurde, sprang spontan ein Zuschauer aus dem Umfeld des Teams ein – und trug seine übergeworfene Mönchskutte dann noch drei weitere Vorstellungen lang. Selbst die Tiere, verlässliche Publikumslieblinge zwar, aber nie restlos berechenbar, spielten unangefochten souverän ihren Part: zwei Pferde, darunter der im Zivilberuf als Therapie-Pferd eingesetzte Schwarzbraune für Karl den Großen, zwei Ponys und die ins Fahrgeschirr gespannten Berner Sennenhunde von Doris Braun.

Die Bus-Shuttles, von freundlichen, oft von geradezu festlich-fröhlich gestimmten Fahrern chauffiert, waren ein Ereignis für sich. Für viele Nagolder, vor allem natürlich ältere Menschen, war der kostenlose Transfer zum Burgtheater, nach langen Jahren der unverhoffte Anlass, die doch etwas hochgelegene, nur mit Anstrengung erreichbare Hausburg der Stadt wieder einmal zu besuchen – und dann auch noch bei Nacht und umstrahlt. Solch beiläufiges Lob hat Dorothee Must gleich mehrfach gehört.

Oberbürgermeister Jürgen Großmann, der seine Nagolder Gesichter gut kennt, schätzte die Besucher auf hälftig Einheimische und Auswärtige. Bei der Dernièren-Feier, die er am Sonntag im Rathaus-Foyer für die Mitwirkenden gab, war nicht nur eine tiefe persönliche Freude zu hören, sondern auch die klare Ansage: "Das Bürgertheater ist eine Institution geworden". Auch Isolde Alber, die charismatische Autorin und Regisseurin, zeigt sich direkt nach dem Finale und dem ersten Durchschnaufen "ganz offen". Auch nach dem Grillfest auf der Burg mit den Tänzern, Bogenkämpfern und Feuerzauberern von "Nagaltuna" und dem gemeinsamen Eisessen im "Panorama" für die mitwirkenden Kinder fühlt sie sich lachend "noch völlig unbeeindruckt von all den Anstrengungen".

Noch ist nichts beschlossen. Aber bereits im Herbst sind erste unverbindliche Gespräche vereinbart für ein Bürgertheater 2016. Nagolder Themen gibt es genug: Historisches um Zeller und Mörike oder die nachwirkenden Geschichten von den Nazi-Jahren bis zum "Schleifer von Nagold" in der einstigen Fallschirmjäger-Kaserne auf dem Eisberg. Gerade die mitwirkenden Bürger, weiß Isolde Alber, hatten "so viel Erzählenswertes über Nagold" schon am Rande der gemeinsamen "Hildegard"-Arbeit mitgebracht.