Susanne Humbeil (links) und Barbara Rennig sorgten im Wanderheim des Schwarzwaldvereins für Kurzweil. Foto: Ließmann Foto: Schwarzwälder-Bote

"Nagold liest..." macht diesmal im Vereinsheim des Schwarzwaldvereins Station

Von Kirsten Ließmann

Nagold. Da staunten Nagolds Jugendgrüppchen, die sich des Abends im Kleb tummeln, nicht schlecht, als vor kurzem allerhand Fußvolk den Stadtpark bevölkerte, um sich in das Vereinsheim des Schwarzwaldvereins zu begeben. Dort nämlich stand eine weitere Lesung der erfolgreichen Reihe "Nagold liest und …" an. Dieses Mal begab man sich auf mentale Wanderreise mit etlichen wohlbekannten und weniger namhaften Autoren; Nagold las und wanderte also.

Susanne Humbeil und Barbara Rennig, die Vorleserinnen dieses vergnüglichen Abends, verwöhnten ihre Zuhörerschaft mit allerlei Ergötzlichem, aber auch mit Texten, die zum Nachdenken anregten und berührten. Dabei gingen sie nicht etwa chronologisch vor, nein, sie begaben sich "topografisch sortiert" auf Lesereise – vom schönen Schwarzwald über den Bodensee und Südtirol, bis hin in spanische Gefilde. Doch vor Beginn der Veranstaltung gab es erst einmal ein deftiges Vesper – als Buffet angerichtet – und auch für Getränke war gesorgt. Nach einer herzlichen Begrüßung durch Ulrich Rentschler, dem zweiten Vorsitzenden des örtlichen Schwarzwaldvereins, gab es kein Halten mehr. Die charmanten Vorleserinnen legten sogleich los, denn sie hatten allerlei erlesene Texte "im Rucksack".

Eines jedoch taten alle Autoren gemeinsam kund: Sie hielten einem vor Augen, wie atemberaubend schön die Natur ist, wenn man sich nur mit offenen Augen in sie hinein begibt und manchmal hat man sogar das Glück, auf Gleichgesinnte zu treffen, die einem dabei helfen, genau das zu begreifen. So entstand beispielsweise eine ganz außergewöhnlich tiefe Männerfreundschaft zwischen dem Schweizer Schriftsteller und Verleger Carl Seelig und dem ebenfalls in der Schweiz geborenen, deutschsprachigen Schriftsteller Martin Walser. Walser plagten seinerzeit Depressionen und so befand er sich bereits seit Jahren in einer Anstalt im Appenzeller Land. Seelig unterdessen wollte einige Texte Walsers veröffentlichen und nahm daher Kontakt zu ihm auf. Dabei lernten sich die beiden Sonderlinge nicht nur kennen, sie näherten einander soweit an, dass sie sich sogar zusammen auf Wandertour begaben – Einkehrschwünge inbegriffen. Fast schon rührend muten die Ausführungen Seeligs an, der in seinem Buch "Wanderungen mit Robert Walser" von ihren gemeinsamen Erlebnissen und ihrer wachsenden Freundschaft erzählte.

Ein weiterer Bund, zumindest für den Zeitraum einer sehr anstrengenden und für den Zuhörer äußerst unterhaltsamen Pilgerreise, entstand zwischen Paulo Coelho und seinem einstmaligen Begleiter und "Meister" Petrus. Immerhin brummte jener ihm täglich neue Exerzitien auf, um den bis dato wenig geläuterten Autor bei seiner Selbstfindung zu unterstützen. Zu lesen in "Auf dem Jakobsweg". An diesem Abend hielt freilich noch ein weiterer Pilgerer Einzug ins Wanderheim – Hape Kerkeling war dann mal weg und wuchs auf dem Weg nach Santiago de Compostela ebenfalls über sich hinaus. Während dieser intensiven Zeit erlebte der damals ausgepowerte Entertainer so manches Wunder; und zwar stets, wenn sich auf seinem beschwerlichen Weg Verzweiflung in ihm breitmachte.

Jean Paul berichtete indes von den "Vier Kasten der Spazierer", Hermann Hesse umschrieb in "Kleine Freuden" das teils immer beschwerlicher werdende Kofferpacken und schwelgte dabei in Erinnerungen. Johannes Schweikle schlug es "Westwegs", er war dabei zu Fuß durch den Schwarzwald unterwegs, und Freddy Langer wiederum erheiterte mit seinen Darstellungen über eine 24-Stunden-Wanderung auf dem Meraner Höhenweg; und zwar ohne Hans Kammerlander. Da der eigentlich als Reiseführer Gesetzte aufgrund einer Knöchelverletzung lediglich moralische Tipps zur Extremwanderung beisteuern konnte.

Gedichte von Heinrich Heine und Joachim Ringelnatz rundeten den sehr gelungenen und gut besuchten Leseabend ab.