Das Ballett der Kräne - im Riedbrunnen wird kräftig gebaut. Foto: Kunert/Fritsch

Bauboom im Wohnungsbau: Nagold schafft die Wende und wächst. Bis zu 240 neue Wohneinheiten im Riedbrunnen.

Nagold - Das Ballett der großen Baukräne tanzt derzeit in der Nagolder Innenstadt wie wohl selten zuvor. Aktuell stehen im Riedbrunnen-Areal gleich vier der eindrucksvollen, maschinellen Bauhelfer. Und zeigen unmissverständlich an: In Nagold ist ein regelrechter Wohnbau-Hype ausgebrochen.

"Ja, man kann sicher von einem Bauboom sprechen – das ist nicht übertrieben", freut sich Oberbürgermeister Jürgen Großmann über die geradezu explodierende Nachfrage auf dem privaten Wohnungsbau. Denn das große Interesse belegt: Nagold hat seinen jahrelangen Abwärtstrend bei der Einwohnerzahl in den 1990er- und den "Nuller"-Jahren des letzten Jahrzehnts eindrucksvoll stoppen können. Und seit 2013 ins Positive gedreht. Seitdem nimmt die Bevölkerungszahl in der Kernstadt und den meisten Ortsteilen wieder zu. Zum 31. Dezember 2014 waren es insgesamt wieder 22.062 (zum Vergleich: Mitte 2011 waren es 21.680).

Und das sei erst der Anfang, so Ralf Fuhrländer, Leiter des Stadtplanungsamtes. "Allein im Bereich Riedbrunnen entstehen 200 bis 240 Wohneinheiten, das entspricht Wohnraum für im Schnitt 500 Menschen." Aktuell seien dort insgesamt acht Gebäude im Bau, weitere seien in der Planung. Dazu kämen in den nächsten Jahren die Bereiche des gerade beschlossenen Bebauungsgebietes Hasenbrunnen weiter oben an der Waldach in Richtung Iselshausen. "Insgesamt werden es wohl letztlich noch einmal über tausend zusätzliche Einwohner sein, die Nagold in den nächsten zehn Jahren dazu gewinnen wird", schätzt OB Großmann.

Allerdings: Rund 50 bis 60 Prozent der neu geschaffenen Wohnungen im so hochattraktiven Innenstadtbereich wie am Riedbrunnen würden sich einheimische Käufer sichern, die etwa von den höher gelegen Wohngebieten näher ins Kernquartier rücken wollten. Durch diese "Binnen-Wanderung" würden aber im Gegenzug meist günstigerer Wohnraum im äußeren Bereich frei, der letztlich dann doch auch – im Idealfall – durch Zuzüge von außerhalb gefüllt würde. Und hier, vor allem, käme der übergroße Werbeeffekt durch die Landesgartenschau zum tragen, denn "die Menschen aus Böblingen, Sindelfingen, Stuttgart und darüber hinaus haben durch diese Leuchtturm-Veranstaltung die neue Schönheit Nagolds nach dem Umbau der Innenstadt" kennen- und schätzen gelernt, hat Planungsamtsleiter Fuhrländer beobachtet. "Wir ernten da als Stadt jetzt die Früchte dieser Umgestaltung."

Wie beliebt Nagold, und hier vor allem die neuen Wohnlagen wie eben am Riedbrunnen sind, zeigt ein Blick auf die Verkaufssituation der genannten aktuell acht in Bau befindlichen Projekte – "die Wohnungen dort wurden den Bauträgern schon vom Reißbrett weg aus den Händen gerissen", weiß OB Großmann. Ali Ciger und Tobias Frey, die mit ihrer erst im vergangenem Jahr gegründeten gemeinsamen Firma eines der Riedbrunnen-Häuser an der Schillerstraße bauen, bestätigen das. "Wir waren in nicht mal sechs Wochen ausverkauft", erzählt das Duo. Und ausdrücklich loben auch sie die Entwicklung, die die Stadt in den vergangenen Jahre genommen hat: die Tunnel der Innenstadtumgehung, die "ökologische Modernität", die großzügige Fußgängerzone, die großen Industriegebiete als Grundstein für die eindrucksvolle Entwicklung der Arbeitsplatzzahlen – das "Produkt" Nagold sei zu einer wirklichen "Spitzen-Ware" geworden.

Allerdings: Solche Spitzen-Produkte entwickeln mit zunehmender Attraktivität auch eine entsprechende Preisdynamik, was man im Nagolder Rathaus durchaus auch mit etwas Sorge beobachtet: "Grundsätzlich ist es aber gut, dass die Nachfrage steigt und das Angebot im großen Rahmen nachziehen kann." Aktuell, plaudern etwa Ciger und Frey ein wenig aus dem Nähkästchen, hätten sie ihre Eigentumswohnungen – je nach Lage, Ausstattung und Schnitt – mit einem Durchschnitts-Quadratmeterpreis von 2850 Euro abgegeben. Es würden aber in Nagold derzeit auch Preise bis 3600 Euro gezahlt – etwa für Penthouse-Lagen. Im Vergleich mit anderen Ballungsräumen im "weiteren Stuttgarter Süden" seien das aber noch Schnäppchen – mit aber klarer Tendenz nach oben. In Rottenburg etwa haben die Quadratmeterpreise für neue Eigentumswohnungen bereits die 4000-Euro-Marke übersprungen.

"Ungesund" sei diese Entwicklung aus Sicht von Ciger und Frey noch nicht. Es gäbe keine "Immobilien-Blase", also keine Entwicklung, dass Wohnraum höher bewertet würde als er eigentlich wirklich wert sei. Die Preise machten – zumindest im Neubau – immer noch die Handwerkerleistungen und die Kosten für die eingesetzten Baustoffe. Allerdings gebe es sicher einen "preistreibenden Effekt" aufgrund der extrem großen Nachfrage durch Bauträger etwa bei eben diesen Handwerkerleistungen. Und durch die aktuell extrem niedrigen Zinsen für Bau- und Immobilienkredite. Allerdings, so eine andere Beobachtung der in Nagold aktiven Bauträger: Die sehr überwiegende Zahl der Kunden der neuen Wohnungen müssten gar nichts finanzieren, sondern erwerben die Immobilien ausschließlich aus dem Haben. Es seien halt auch die Zinsen für Spareinlagen extrem niedrig, so dass eine alternative Investition in das derzeit extrem begehrte Nagolder Beton-Gold auch eine attraktivere Rendite mittel- und langfristig erwarten lasse.