Im Jahr 2016 wollte das Nagolder Familienunternehmen die magische Marke von 100 Millionen Euro Umsatz knacken. Digel schaffte eine Punktlandung. Foto: Digel

Wieder sechs Millionen Euro auf dem Wolfsberg investiert. Modemarke entdeckt Wunderland Italien.

Nagold - Als das Nagolder Familienunternehmen Digel vor vier Jahren sein neues Verwaltungsgebäude auf dem Wolfsberg einweihte, setzte man sich hohe Ziele: Im Jahr 2016 wollte man die magische Marke von 100 Millionen Euro Umsatz knacken. Digel schaffte eine Punktlandung.

Es war ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld, in dem sich der Herrenausstatter in den letzten Jahren bewegte. Die EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund der Ukrainekrise untergruben ausgerechnet Digels stärksten Exportmarkt. Um die Umsatzeinbußen im Osten wieder wettzumachen, wendete man sich nach Westen und Süden – gen Frankreich und Italien. In Frankreich fand man in den Galeries Lafayette, der dominierenden Warenhauskette im Nachbarland, den geeigneten Partner für die Expansion.

Zudem entdeckte man ein "Wunderland", wie Aufsichtsratschef Hans Digel Italien nennt. Seit drei Jahren exportiert man das Nagolder "Menswear Concept" von Meran bis an den Stiefel. Während auf der Apenninhalbinsel im Hochpreissegment Modedesigner mit klangvollen Namen gegeneinander konkurrieren, tummelt sich Digel dort in der "guten Mitte", wie sie Hans Digel nennt, nahezu konkurrenzlos, "weil es die Kollegen nicht mehr gibt." Heute ist Italien nach Frankreich für Digel der zweitstärkste Exportmarkt.

Als Jochen Digel, der heutige Geschäftsführer, vor 13 Jahren in das Unternehmen einstieg, lag der Firmenumsatz noch bei 44 Millionen Euro. Mit dem Aufbau einer neuen Logistik, die den 2500 Kunden die teure Lagerhaltung komplett abnimmt, wurde damals die steile Aufwärtsentwicklung eingeläutet. Schon vier Jahre später kletterte die Umsatzmarke auf 60 Millionen Euro, das Nagolder Lager wurde auf 15 000 Quadratmeter erweitert. 200 000 Teile sind hier auf Abruf bereit und können binnen eines Tages dem Kunden ausgeliefert werden. Hans Digel: "Unser Durchbruch kam über die Serviceschiene." Im vergangenen Jahr kletterte der Umsatz erstmals über die Schwelle von 100 Millionen Euro.

Groß genug für den Sprung über den Teich

Hinzu kam, dass Digel sich durch millionenschweres Marketing als Marke etabliert hatte. Heute ist das Nagolder Label die zweitstärkste Marke, die in Geschäften hierzulande auftritt, wie eine Analyse der "Textilwirtschaft" ergab. Vor zwölf Jahren lag man im Gesamtranking noch auf dem 17. Platz. Beim Preis-Leistungsverhältnis platzierten die Kunden dieser Umfrage zufolge Digel sogar auf Platz 1.

Das ist der Anspruch, den sich das Unternehmen gibt: vorne mitzuspielen. Insofern ist der 3. Platz, was die Logistik anbelangt, für Jochen Digel zusätzlicher Ansporn. In zwei Wochen wird das Familienunternehmen ein weiteres Baugesuch für den Wolfsberg einreichen: Für sechs Millionen Euro soll das Logistikcenter um 40 Prozent erweitert werden – auf eine Fläche größer als vier Fußballfelder. Schon heute wird hier im Zwei-Schichtbetrieb gearbeitet, 500 Pakete verlassen täglich die Zentrale.

"Der Standort liegt uns nach wie vor am Herzen", sagt Jochen Digel. Schon nächstes Jahr will er den Erweiterungsbau einweihen. Man braucht auch Platz für das breiter gewordene Sortiment, das seit diesem Jahr erstmals auch Schuhe umfasst. "100 000 Paar im Jahr 2020", das ist das Ziel, das Jochen Digel ausgegeben hat.

"Nicht alle Eier in einen Korb legen"

Langfristig hat er die nächste magische Zahl im Blick: 150 Millionen Euro Umsatz. Dafür wird Digel über den großen Teich springen – in die USA. "Wir sind groß genug", sagt der Geschäftsführer selbstbewusst, in Europa stoße man an Grenzen des Wachstums. Und der amerikanische Markt sei schließlich so groß wie der europäische.

Dass nun ausgerechnet der neue US-Präsident Trump gegen den Freihandel zu Felde ziehe, habe man damals, als die Entscheidung für ein Engagement in den USA fiel, nicht absehen können. Insgesamt sieht man in der gläsernen Firmenzentrale auf Nagolds Anhöhe die Situation gleichwohl unaufgeregt. Man zahle heute schon 17 Prozent US-Zoll auf die exportierten Anzüge.

Aus dem Asiengeschäft zog sich Digel indes wieder größtenteils zurück. In China hatte man zwar fünf Geschäfte eröffnet. Doch im Reich der Mitte fällt die Passform wie auch der Geschmack anders aus als in der westlichen Welt. Weil eine eigene asiatische Kollektion zu teuer gewesen wäre, schloss man im vergangenen Jahr diese Dependancen wieder.

Dafür weihte Digel in der türkischen Millionenstadt Izmir 2016 eine weitere Produktionsstätte für sieben Millionen Euro ein. 300 Mitarbeiter fertigen hier 700 Anzüge am Tag – ein Viertel der kompletten Produktion. Umgerechnet geht jede Minute ein Digel-Anzug weltweit über eine Ladentheke.

Die Nagolder Modemarke lässt zudem in Polen, Bulgarien, Rumänien und Bosnien produzieren. Hans Digel weiß um die sozialen Probleme in den Billiglohnländern und geht deswegen lieber auf Nummer sicher: "Man sollte nicht alle Eier in einen Korb legen."

Info

Meilensteine:

1939: Gründung des Unternehmens durch Gustav Digel

1964: Eintritt von Hans Digel in das Unternehmen

2001: Spatenstich für den neuen Firmensitz auf dem Wolfsberg

2004: Einweihung des neuen Logistikcenters; Jochen Digel tritt in das Unternehmen ein, Umsatz: 44 Mio. Euro

2008: Anbau des Logistikcenters, 60 Mio. Euro Umsatz

2013: Einweihung des neuen Verwaltungsgebäudes auf dem Wolfsberg

2016: 102 Mio. Euro Umsatz

2017: Bauantrag für Erweiterung des Logistikcenters