Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Zweite von links) informierte sich über die Arbeit des Jugendforschungszentrums in Nagold. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Jugendforschungszentrum: Theresia Bauer besucht erstmals das Nagolder JFZ / Antwort auf Probleme

Eigentlich möchte man sich fragen: Warum kam baden-württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer erst jetzt das erste Mal zu Besuch ins Nagolder Jugendforschungszentrum (JFZ)? Denn das JFZ könnte, wie sie selbst sagte, die Antwort sein auf ihre drängendsten Probleme.

Nagold. Problem Nummer eins: Der Fachkräftemangel natürlich. Die Wissenschaftsministerin machte bereits in ihrer kurzen Begrüßungsrede anhand einer Anekdote deutlich, was dieser Fachkräftemangel bedeutet: Während einer Kabinettssitzung der Landesregierung früher an diesem Tag habe der Innenminister Pläne zum Aufstellen einer eigenen Einheit zur Abwehr von Cyber-Kriminalität vorgestellt, da mittlerweile längst nicht mehr nur große Unternehmen wie Bosch und Daimler von Angriffen aus dem Netz betroffen seien, sondern "auch der Friseur nebenan".

Denn auch dessen Daten würden etwa durch Trojaner-Angriffe in Geiselhaft genommen und nur gegen Lösegeldzahlung wieder freigegeben – wenn überhaupt. "An diesem Thema hat sich die Kabinettssitzung schließlich ›aufgehangen‹", erzählt die Ministerin ihren Zuhörern vom JFZ. Weil die Aufstellung der landeseigenen Cyber-Einheit aktuell eben am Fachkräftemangel scheitere. Es werden schlicht keine geeigneten IT-Profis gefunden, die sich den Internet-Kriminellen mit geeigneten Mitteln in den Weg stellen könnten. "Es fehlen die richtigen Leute mit der richtigen Expertise."

"Huy, huy, das ist der Wahnsinn!"

Umso beeindruckter zeigte sich die Ministerin beim anschließenden Rundgang durch die Hallen des JFZ von der "Expertise" der jungen Forscher hier – eben zum Beispiel vom Nachwuchs-Informatiker Stefan (17 Jahre): Er optimiert in seiner aktuellen Forschungsarbeit "Bohrkoordinaten mit Hilfe von Ameisenalgorithmen". Klingt exotisch, hat aber hohe praktische Relevanz – etwa bei der Optimierung von Bearbeitungsabläufen an CNC-Maschinen. Theresia Bauer (Zitat: "Huy, huy, das ist der Wahnsinn!") kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie nach und nach die ganze Bandbreite der Forschungsarbeiten am Nagolder JFZ von den forschenden Jugendlichen selbst enthüllt bekommt: die Effektivität von Mooswänden zur Verbesserung der Luftqualität untersucht Caro (17); eine Lüftungsautomation für Badezimmer entwickelt Matz (14); Valentin (18), der für seine Forschungsarbeit am JFZ immer extra aus Stuttgart anreist, versucht sich an einem Methan-Sensor, der über Absorbtion von Infrarotlicht arbeitet. Und Michelle (15) bastelt an einer Apparatur, um die optimalen Bedingungen für den Verfall von Kunststoffen zu ermitteln – um diesen zu beschleunigen.

"Hier herrscht ein unfassbar toller Spirit", lässt sich die Wissenschaftsministerin von der Begeisterung der jungen Forscher schnell anstecken. Und wundert sich über die "sehr gute Ausstattung, die Sie hier haben" – wofür JFZ-Leiter Helmut Günther nicht müde wird, die Sponsoren und Förderer der Einrichtung zu loben. "Wenn die Jugendlichen etwas für ihre Arbeit hier brauchen, können wir das in der Regel sofort besorgen." Der sehr große Vorteil des JFZ zum Beispiel gegenüber den Schulen, bei denen jeder Bedarf langfristig im Voraus geplant werden müsse. Weshalb das JFZ eine sehr gute Ergänzung der schulischen Angebote sei, um junge Leute für Wissenschaft und Technik wirklich zu begeistern.

Womit Ministerin Bauer flugs zu ihrem zweiten, drängendsten Problem kommt, bei dem das JFZ möglicherweise "die Lösung" sein könnte: die immer höhere Abbrecherquote bei den Studierenden. Wie denn die Erfolgsquote des JFZ-Nachwuchses bei deren weiterer Ausbildung sei – ob man den weiteren Weg der jungen Forscher systematisch nachverfolge, will die Ministerin wissen. "Bei uns werden alle Alumni" – also Absolventen des JFZ – "erfasst", bestätigt JFZ-Leiter Günther. Etwa 80 bis 90 Prozent der jungen Forscher würden sich in der Folge für ein Studium entscheiden, wobei die Abbrecherquote bei ihnen "gegen Null" gehe.

"Das Angebot schafft die Nachfrage"

Genau das wollte offensichtlich Ministerin Bauer hören. Das JFZ sei offensichtlich dazu geeignet, Jugendlichen eine optimale Orientierungshilfe bei der späteren Berufs- und Studienwahl zu geben – quasi als ein "Vorstudium", das den jungen Menschen zeigt, wie das spätere Studium funktionieren würde, was sie an den Universitäten zu erwarten haben. Solcher Erkenntnisgewinn kann ganz offensichtlich die Quote von Fehlentscheidungen bei der Studienwahl reduzieren. Und das ist genau das, was die für die Universitäten im Land zuständige Ministerin im Moment sucht.

Sofort überlegt Theresia Bauer, wie sie dabei helfen könnte, das JFZ mit eben diesen Universitäten im Land besser zu vernetzen. "Die alle müssen Sie unbedingt kennenlernen", identifiziert die Ministerin die primäre Herausforderung dabei. "Und zwar nicht irgendwo in einer Präsentation, sondern hier vor Ort" – so wie es die Ministerin selbst gerade erlebt hatte. "Nur dann begreift man, was hier wirklich passiert und geleistet wird." Welcher Spirit hier herrscht. Wobei ein wichtiger Satz dazu von JFZ-Geschäftsführerin Barbara Renz kommt: "Das Angebot schafft die Nachfrage – das ist unsere Erfahrung." Soll heißen: Je mehr Forschungsplätze es an JFZs im Land gäbe, desto mehr Jugendliche würden lange vor einem Studium diese Möglichkeit zur Orientierung und Entwicklung ihrer eigenen (beruflichen) Interessen nutzen. "Wir sind mit 17 Jugendlichen gestartet", so Renz. "Heute sind es 250 im Jahr." Was genau die Perspektive ist, die die Wissenschaftsministerin im Augenblick sucht. "Wir bleiben im Kontakt", so ihr Versprechen zum Abschied.