Der Vorstand des Vesperkirchen-Projekts hat den Termin für das kommende Jahr schon fest im Blick (von links): Bernd Schmelzle, Reinhart Brehmer, Marlis Katz, Edeltraud Wegenast, Simone Großmann, Veronika Rais-Wehrstein, Claudia Ehrmann und Hermann Lochmüller. Foto: Fritsch

Volle Stadtkirche: Nagolds ökumenisches Vorzeigeprojekt war für alle Beteiligten wieder ein Erlebnis.

Nagold - Wer in den vergangenen zwei Wochen zur Mittagszeit einen Blick in die Nagolder Stadtkirche geworfen hat, der ahnt schon, wie das Fazit zur diesjährigen Vesperkirche ausfällt: Für alle Beteiligten war es ein Erlebnis.

Es ist Tag eins nach dem offiziellen Ende der Vesperkirche – jenem ökumenischen Vorzeigeprojekt der Nagolder Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche (ACK). Und schon wieder wuselt es gewaltig in der Stadtkirche.

Zahlreiche ehrenamtliche Helfer sind auch beim Abbau dabei. Tische werden abgewischt, Stühle weggeräumt, das Leergut aus der Kirche gekarrt – es wird in fast allen Ecken geschafft und gewerkelt. In einer Ecke steht noch immer der große Stapel mit den Kirchenbänken. Auch sie werden wieder eingebaut. Und dann erstrahlt die Johanneskirche wieder in ihrem alten Glanz und dient ihrer ursprünglichen Bestimmung als Gotteshaus.

Über mangelnden Besuch kann sich die Stadtkirche in den vergangenen 15 Tagen nicht beklagen. Zahlen sind zwar nicht alles, aber der Vesperkirchen-Vorstand legt dennoch einige imposante Zahlen vor: 6400 Gäste zählte man in den vergangenen zwei Wochen. "Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr", sagt Bernd Schmelzle.

Auch die soziale Armut ist ein Thema

Und Pfarrer Reinhard Hauber ist nicht nur von diesem Besucherstrom überwältigt – "jeden Tag war die Kirche voll", sagt er. Doch ebenso überwältigend sei das ehrenamtliche Engagement gewesen. 280 Helfer – vom Schüler bis zum Senior – packten kräftig mit an. Darunter die Helfer des Seminarkurses vom OHG rund um die engagierte Lehrerin Esther Betz-Börries, oder auch die Sozialpraktikanten der Christiane-Herzog-Realschule.

Hinzu kamen beispielsweise Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, die in der ACK Gast-Status hat. Auch Nagolds Aleviten beteiligten sich, oder zum Beispiel Asylbewerber – einer schaffte jeden Tag mit, erzählt Veronika Rais-Wehrstein. Und dann gibt es natürlich noch die ganze andere große Helferschar, die sich so vorbildlich engagiert hat. "Welcher Konfession man angehört, spielte überhaupt keine Rolle", freut sich Marlis Katz über das ökumenische Miteinander.

"Wir haben das Thema Armut in den Mittelpunkt gerückt", blickt Pfarrer Hauber zurück. Dabei hat die Nagolder Vesperkirche eben nicht nur die materielle Armnut im Blick. Auch die soziale Armut ist ein Thema. Zum Beispiel die Vereinsamung von älteren Menschen. "Das ist auch eine Form von Bedürftigkeit", erzählt Peter Ammer, der von Begegnungen mit einsamen Menschen berichtet, die sich täglich neu auf die Gemeinschaft in der Vesperkirche freuten.

Ihm ist auch aufgefallen, dass man in diesem Jahr mehr behinderte und sozial schwache Menschen traf als in den Jahren zuvor. Und noch etwas ist dem Vorstandsteam eine Bemerkung wert: Im dritten Jahr brauchte niemand mehr Sinn und Zweck der Vesperkirche erläutern. "Die Vesperkirche ist in der ganzen Region angekommen", freut sich Ammer.

Für Reinhard Hauber ist die Vesperkirche auch ein Zeichen gegen die Veränderungen in der Gesellschaft. "Das Klima wird immer rauer", bemängelt Hauber. Diffamierungen von sozial Schwachen als Drückeberger und Faulenzer oder auch von ehrenamtlichen Helfern als "Gutmenschen" – auch dagegen will die Vesperkirche ein Zeichen setzen.

Die Frage, wie es weiter geht, stellt sich eigentlich gar nicht. Der Termin für die Vesperkirche im kommenden Jahr jedenfalls steht bereits. Und am morgigen Mittwoch läuft auch wieder der Kirchenmittagstisch an – der Vorgänger der Vesperkirche.