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Alice Vogt startet als Tagesmutter eine zweite berufliche Karriere

Alice Vogt hatte einen guten Job. War 30 Jahre Mediengestalterin. Als sie in der Zeitung einen Artikel über Tagesmütter liest, ist das der Anfang einer ganz neuen Geschichte in ihrem Leben.

Nagold-Hochdorf. Ist das etwas für mich? Kann ich wirklich Tagesmutter werden? Wer würde denn mir sein Kind bringen? Viele Fragen. Doch der Gedanke daran, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen setzt sich schnell in ihrem Kopf fest. Kurz entschlossen greift Alice Vogt zum Telefon, ruft im Landratsamt bei der für Tagesmütter zuständigen Stelle an. Die vermittelt ihr erst einmal einen "Schnupperkurs". Bei dem bekommt sie nicht nur die ersten gezielten Informationen zum Beruf der Tagesmutter, sondern auch eine gehörige Portion Motivation. "Ich habe gemerkt, dass es mich total inspiriert", erzählt sie heute. Sie steigt voll in die Ausbildung zur Tagesmutter ein, durchläuft die standardisierte Qualifizierung und erwirbt die Pflegeerlaubnis.

Das hat natürlich Auswirkungen auf ihr bisheriges Berufsleben, das bisher aus dem Job als Mediengestalterin und aus der Betreuung an der Schule in Bondorf besteht. Während die Arbeit an der Schule unangetastet bleibt, reduziert sie ihre Arbeit als Mediengestalterin. "Da musste ich mit meiner Zeit schon jonglieren", erzählt sie. Einige Zeit jongliert sie weiter, doch letztlich gibt es für sie nur eine Entscheidung: Sie steigt aus ihrem bisherigen Mediengestalter-Job komplett aus und konzentriert sich auf die Arbeit in der Schule und als Tagesmutter.

Dabei läuft der Start als Tagesmutter nicht komplett reibungslos. Sie muss viel Werbung machen, legt ihre Flyer an allen möglichen Orten aus und merkt: "Viele Menschen wissen über das Betreuungsangebot von Tageseltern überhaupt nichts", sagt sie. Dazu kommt, dass man sie stellenweise auch als Konkurrenz für die klassischen Kitas wahrnimmt. Doch durchschlagend negativen Einfluss auf die Arbeit von Alice Vogt hat das alles nicht. Die Nachfrage nach ihrem Angebot wird immer größer.

"Das zeigt, dass die Betreuungsplätze bei den Tagesmütter schlicht gebraucht werden", sagt Marion Sailer-Spies, beim Diakonieverband Nördlicher Schwarzwald für die Qualifizierung und Beratung der Tagesmütter zuständig und im Tageselternverein tätig. "Es ist einfach so, dass die Tageseltern längst zum zweiten Standbein in der Kinderbetreuung geworden sind." Inzwischen sei es sogar so, dass die Nachfrage nach Tageseltern so immens ist, dass etwa das Landratsamt einen echten Vermittlungsnotstand erkannt hat. Was nichts anderes heißt als: Es gibt viel zu wenige Tageseltern im Kreis Calw.

Für Marion Sailer-Spies ist der Grund für diesen Run auf das Angebot der Tageseltern klar: "Man kann die Kinder auch nur einen, zwei oder drei Tage bringen, man ist flexibel, dazu kann man viel besser auf die einzelnen Interessen der Kinder eingehen. Zudem fühlen sich die Kinder bei den Tageseltern fast wie daheim", so Sailer-Spies.

Das kann Alice Vogt nur bestätigen und denkt da auch an ihre Mutter, die mit im Haus ist. "Dies ist für die Kinder auch so etwas wie eine Oma. Und da haben alles Beteiligten was davon." Auch wenn andere das so denken, Konkurrenz zu den klassischen Kitas will die Frau aus Nagold-Hochdorf nicht sein. Auch deshalb hat sie schon längst Kontakt zur Kita in ihrem Ort aufgenommen – ganz entspannt. Und wohl wissend, dass der Bedarf an Tagesmüttern und Kitas angesichts des Rechtsanspruchs auf eine Betreuung nicht gerade kleiner werden wird.